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Sie kamen bis Konstantinopel

Sie kamen bis Konstantinopel

Titel: Sie kamen bis Konstantinopel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank S Becker
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zu reiten. Oder wenigstens den Schluck Wasser getrunken, den ihm der Mann angeboten hatte. Doch dafür war es jetzt zu spät. Und wenn er jemanden bat, ihm im Namen des Kalifen zu helfen? Bloß wen? In diesem Viertel kannte er niemanden. Und wenn er gar an einen Ansar geriet, einen der zahlreichen alten Gefährten Mohammeds, die Medina bevölkerten, und die der Kalif sich zu Feinden gemacht hatte? Wenn man ihn festhielt? Oder ihn zu den Belagerern vor dem Haus Uthmans schleppte? Nein! Er durfte sich nicht zu erkennen geben. Lieber unter Schmerzen die ganze Strecke humpeln …
    Nach einer guten halben, ihm wie eine Ewigkeit erscheinenden Stunde stand er schweißüberströmt und keuchend wieder vor einem geschnitzten Portal, griff erneut zu dem Türklopfer, der den Besuch eines Mannes anzeigte, und hämmerte auf das Holz ein, als sei ihm ein Dschinn auf den Fersen. Wieder dauerte es eine Ewigkeit, bevor sich die Klappe öffnete, wieder traf ihn ein abweisender Blick.
    »Was willst du?«
    »Ich k… k… komme von Uthman. Ich muss sofort zu Ali Ibn Talib!«
    Der Mann, ein mürrisch aussehender Greis mit lückenhaften Vorderzähnen, schüttelte nur stumm den Kopf und war schon dabei, die Klappe zu schließen, als Daud seine Hand hineinsteckte.
    »Verstehst d… du nicht, der B… Beherrscher der Gläubigen schickt mich!«, flehte er.
    »Das kann jeder behaupten. Nimm deine schmutzige Klaue weg und verschwinde.« Der Alte versuchte, die Klappe zu schließen und drückte die Kante auf Dauds Finger, der vor Schmerz aufschrie.
    »Ich schwöre d… dir beim Namen Allahs, des Ge… Gerechten, dass ich von Uthman komme. Ali kennt mich. Er hat mich vor zwei Tagen gesehen. A… Als uns Wa… Wasser über die Mauer gereicht wurde.«
    Der Druck auf Dauds Finger ließ nach, die Klappe schwang auf, und der Alte musterte ihn erneut mit seinem Schildkrötenblick. Er hatte große Nasenlöcher, aus denen dunkle Haare wuchsen.
    »Setz dich. Ich werde gehen und fragen«, knurrte er mürrisch.
    Seufzend hockte sich Daud vor das Holztor, rieb seine Hand und streckte seinen schmerzenden Fuß aus, der stark angeschwollen war. Er nahm eine Schnur mit 99 Holzperlen aus der Tasche, die für die 99 Namen Allahs standen, und ließ die kleinen schwarzen Kügelchen durch seine Finger gleiten. Endlich näherten sich die schlurfenden Schritte erneut.
    »Ali wird kommen. Wenn es stimmt, was du sagst, wird er zu der Menge sprechen.«
    »Allah sei Dank.« Er rappelte sich erleichtert auf. »K… kann ich, bevor wir gehen, noch einen Schluck Wasser haben?«
    »Gerne.« Einige Augenblicke später öffnete sich die Türe, Daud wurde eingelassen, und der Mann drückte ihm kurz darauf einen groben Tonbecher in die Hand, den der Junge gierig leerte, während der Alte im Hintergrund des Raumes geschäftig alte Körbe hochhob und einen nach dem anderen prüfend betrachtete.
    »Ko… kommt Ali jetzt? Können wir g… gehen?«, rief Daud ihm ungeduldig zu. Der Mann drehte sich langsam um, räusperte sich und schüttelte den kahlen Kopf.
    »Jetzt betet er. Da darf er nicht gestört werden.«
    »Aber es ge… geht … vielleicht um Leben und Tod!«
    Der alte Mann zuckte mit den Schultern. »Alles, was geschieht, liegt in Allahs Hand. Glaubst du, durch Drängen das ändern zu können, was im Buch des Lebens verzeichnet steht?«
    »Nein, d… das nicht, aber …«
    Der Alte schien einen Korb gefunden zu haben, der ihm zusagte, und hielt ihn prüfend eine Handlänge vor sein Gesicht.
    »Na also, mein Sohn. Lerne erst einmal Geduld. Ali wird kommen, alles wird sich finden. Insch Allah.«
    Daud stellte den Becher ab und sah dem Alten unruhig nach, der unter Gemurmel, den Korb in der Hand, im Inneren des Hauses verschwand. Wieder nahm er die Kette und ließ die 99 Perlen durch seine zitternden Finger gleiten. Einmal. Zweimal. Dreimal. Noch immer rührte sich nichts. Nur entfernte Stimmen klangen aus dem Haus, während auf der Straße ein Esel seine misstönende Klage ertönen ließ.
    Zuletzt sprang Daud auf und rief in den dunklen Gang. »W… wann k… kommt er? Wann?«
    Eine Türe schlug, Schritte, erneut spähte der kahle Kopf um die Ecke.
    »Was schreist du wie ein brünftiges Kamel?«
    »Wann kommt Ali?!«
    Der Mann näherte sich und schüttelte den Kopf, kratzte sich hinter dem Ohr.
    »Es kann noch etwas dauern. Er hat Anweisung gegeben, ihn nicht zu stören.«
    Daud starrte ihn ungläubig an und war nahe daran, seine Perlenkette auf den Boden zu schleudern.

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