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Sie kamen bis Konstantinopel

Sie kamen bis Konstantinopel

Titel: Sie kamen bis Konstantinopel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank S Becker
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schwörst, mir nicht wieder zu entfliehen. Beim Namen Allahs und dem Leben deiner Eltern. Schwörst du mir das?«
    Wieder war Daud versucht, dem Hundesohn seine Verachtung und Wut in das von Pusteln übersäte Antlitz zu spucken, doch wieder beherrschte er sich. Er dachte an seine Rache, die kommen würde, und antwortete mit ruhiger, und wie er hoffte, ergebener Stimme: »Das schwöre ich.« Sein Augenlid zuckte, doch darauf achtete Ammâr nicht.
    Dieser Nachmittag verlief anders als sonst. Daud spürte bald, dass sich die Reisenden in zwei Gruppen gespalten hatten: Die Minderzahl der Fröhlichen und die Mehrheit der Sittenstrengen, zu denen auch Amr gehörte, die mit finsteren Blicken beobachteten, wie Krüge zu einer Lagerhalle geschafft wurden. Ammâr und einige Gefährten hatten die Dorfbewohner unter Hinweis auf die Verpflichtung von Dhimmis, reisende Muslime zu beherbergen, dazu gezwungen, den großen Bau leer zu räumen und ihnen zu überlassen. Wozu, das verstand Daud erst, als ihm bewusst wurde, dass die Krüge Wein enthielten, bei dessen Genuss die Männer unbeobachtet bleiben wollten. Bald saßen etwa zwei Dutzend in einem großen Kreise, ließen sich von Daud und anderen Dienern die Becher füllen, würfelten und schlürften die rote Flüssigkeit.
    Plötzlich winkte Ammâr den Jungen zu sich, packte ihn am Ärmel seines Kaftans, zog ihn herab und hielt ihm den Becher unter die Nase.
    »Hier! Trink, und stier nicht mehr so finster drein.«
    Daud, dem der säuerliche Geruch in die Nase stieg, schüttelte abwehrend den Kopf.
    »Der Prophet, sein Name werde geheiligt, hat Glücksspiele und Wein verboten: ›Oh ihr, die ihr glaubt, siehe, der Wein, das Spiel, die Op…pfersteine und die Pfeile sind ein Gräuel von Satans Werk. Meidet sie, vielleicht ergeht es euch wohl. Der Satan will nur zwischen euch Feindschaft und Hass werfen d… durch Wein und Spiel‹, heißt es in der fünften Sura des Korans.«
    Der sitzende Mann sah verblüfft auf, als wisse er nicht, was er von dieser Antwort halten solle. Sein Nachbar, ein junger Mann mit rotem Turban, schlug ihm lachend auf die Schulter.
    »Da hast du's, das Bürschlein kennt das Wort Allahs.«
    Ammâr drehte den Becher in der Hand, als könne er es nicht fassen. »Kennen? Der? Von wegen«, knurrte er. »In der sechzehnten Sura heißt es nämlich: ›Und unter den Früchten die Palmen und Reben, von denen ihr berauschenden Trank und gute Speise habt. Siehe, hierin ist wahrlich ein Zeichen für einsichtige Leute.‹« Er wandte sich unwirsch an Daud. »So, nun widersprich einsichtigen Leuten nicht und trink!«
    Daud merkte, dass die Gespräche in der Halle verstummt und alle Blicke auf ihn gerichtet waren. Ruhig antwortete er. »In der zw… zweiten Sura jedoch heißt es: ›Sie werden dich befragen nach dem Wein und dem Spiel. Sprich: In beiden liegt große Sünde und Nutzen für die Menschen. Die Sünde in ihnen ist jedoch g… größer als der Nutzen.‹ Deshalb möchte ich nicht trinken.«
    Einige Männer lachten, doch Ammâr schüttelte unwillig den Kopf. »Was versteht so ein hergelaufener Junge schon vom Koran? In der dreiundachtzigsten Sura steht über das Paradies zu lesen: ›Siehe, die Gerechten werden wahrlich in Wonne sein, auf Ruhebetten liegend werden sie ausschauen, erkennen kannst du auf ihren Angesichtern den Glanz der Wonne, getränkt werden sie vom versiegelten Wein, dessen Siegel Moschus ist – und hiernach mögen die Begehrenden begehren …‹ Wer von euch will mir weismachen, dass das, was uns im Paradies verheißen wird, eine Sünde sein soll?«
    Die Männer grölten und tranken sich zu, während Ammâr erneut winkte und mit dem Zeigefinger bestimmend auf den Becher wies. »So, nun runter damit!«
    Daud überlegte, wie er, ohne den Mann zu sehr zu reizen, nochmals ablehnen konnte, und entgegnete, diesmal bewusst stotternd. »Bi… bitte, ich bin schwach und W… W… Wein nicht gewohnt. Und da es in der vierten Sura heißt, ›Oh ihr, die ihr g… glaubt, nähert euch nicht tr… trunken dem Gebet, sondern w… wartet bis ihr wisset, was ihr sprechet …‹, m… möchte ich nicht trinken, denn bis zum Abendge…gebet ist es nicht mehr lang.«
    Einen Augenblick sah ihn Ammâr fassungslos an, dann zuckte er mit den Schultern und leerte seinen Becher. »Das mag für Schwächlinge gelten. Ich jedenfalls werde davon nicht trunken«, brummte er, spuckte auf den Boden und ließ sich nachschenken.
    ***
    Vor der Halle hatten die Dorfbewohner

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