Sie kamen bis Konstantinopel
großen Ohren und plumper Schnauze, auf einem haarigen, massigen Vorderkörper. Das Tier stand kurz still, witterte und begann zu knurren.
Es war nicht das erste Mal, dass Daud einer Hyäne begegnete, doch nie zuvor war ihm eine so nahe gekommen. Einmal, noch als Ziegenhirt, war er zu langsam gewesen, um ein Zicklein zu retten, das von einem Felsen gestürzt war, sich ein Bein gebrochen hatte und kläglich meckernd am Boden lag. Aus fünfzig Schritt Entfernung hatte er mit ansehen müssen, wie das Raubtier zugeschnappt und ungeachtet aller Steinwürfe seine Beute davongeschleppt hatte. Ein anderes Mal war er an einer Stelle vorbeigekommen, wo einige Tage zuvor ein altes Kamel verendet war. Voll Schaudern hatte er die großen, von mächtigen Kiefern zermalmten Beinknochen im Sande liegen sehen.
Daud wusste, dass sich Hyänen normalerweise mit Aas begnügten – es sei denn, dass sie sehr ausgehungert waren oder die Beute verletzt und schwach wirkte. So wie er, dem noch immer das Blut am Schienbein herunterrann …
Schritt für Schritt tastete er sich rückwärts, in Richtung der Wand mit ihren Nischen, während das Tier mit erhobenem Schwanz in die Höhle schlich. Sobald es mit der Düsternis verschmolz und das Winseln der Jungtiere lauter wurde, hegte Daud einen Augenblick lang die wahnwitzige Hoffnung, die Hyäne habe ihn nicht bemerkt und sei bei ihrer Brut, um sie zu säugen. Doch als er die Felswand im Rücken spürte und sich emporstemmte, um in einer der Nischen Schutz zu suchen, in denen die Götzendiener einst ihre Toten bestattet haben mochten, hörte er das Knurren ganz nah vor sich. Plötzlich erfüllte ihn rasende Angst – Angst vor dem stinkenden Atem, Angst vor der plumpen Schnauze, die sich seinem Bein näherte, Angst vor den Zähnen, die sich in sein Fleisch graben wollten, Angst vor dem Ruck des behaarten Kopfes, mit dem das Tier ein blutiges Stück aus seinem Leib reißen würde. Und so schrie er, schrie wie nie zuvor in seinem Leben, schrie und tastete mit zitternden Händen über den Höhlenboden, schrie und schleuderte Sand und Steinchen in Richtung des Raubtieres. Er hörte zorniges Fauchen, wütendes Knurren, und dann, irgendwann, es schien eine Ewigkeit vergangen zu sein, flackerte Fackellicht im Eingang, sah er die Hyäne in den Felsspalt huschen und mit Schwertern bewaffnete Männer auf sich zustürzen.
Kapitel 5
Die Stadt am Meer
(656 n. Chr.)
»Ich habe die große Stadt des Abendlandes erobert und es fällt mir nicht leicht, alle ihre Reichtümer und Schönheiten aufzuzählen. Ich werde mich darauf beschränken zu erwähnen, dass sie viertausend Paläste, viertausend öffentliche Bäder, vierhundert Theater oder Vergnügungsstätten und zwölftausend Obstläden besitzt. Die Stadt ist mit Waffengewalt und ohne Verhandlungen erobert worden. Die Muslime sind ungeduldig, die Frucht ihres Sieges zu genießen.«
Der Feldherr Amr Ibn al-As zur Eroberung Alexandrias
Bei jedem der wiegenden Schritte des Kamels hätte Daud am liebsten laut aufgestöhnt. Das Sitzen im Sattel war eine einzige Qual, die noch verschlimmert wurde, wenn sich der raue Stoff seines Gewandes an einer der langen, dunkelrot geschwollenen Striemen rieb, die seinen Körper bedeckten. Über seine linke Wange zog sich zudem eine aufgeplatzte Wunde, um die die Fliegen schwirrten. Jede Bewegung erinnerte ihn an den Augenblick, als der Suchtrupp zum Lager zurückgekehrt war und die Männer ihn vor seinen Herrn gestoßen hatten, die Hände auf dem Rücken gefesselt. Zuerst war Ammâr schlaftrunken aufgefahren, dann hatten sich seine Augen zu Schlitzen verengt und bösartig gefunkelt. In dem feisten, mit roten Pusteln übersäten Gesicht hatte sich ein Mund geöffnet, aus dessen Winkel ein Speichelfaden in den Bart rann. Danach war der Mann blitzschnell aufgesprungen, um eine Maultierpeitsche aus dem Gepäck zu zerren. Wie von Sinnen hatte er auf den Jungen eingeprügelt, den sich am Boden Krümmenden getreten und beschimpft. Bis zuletzt Amr dazugekommen war, den Rasenden angefahren und von seinem wimmernden Opfer weggerissen hatte.
Das hatte Daud wohl das Leben gerettet, doch um den Preis, ihn zu einem Dasein zu verdammen, wie es hoffnungsloser kein Hund führen konnte. Trotz aller Schmerzen musste er weiterhin seinem Herrn dienen und jede Nacht mit auf dem Rücken zusammengebunden Händen verbringen. Als hilfloses Bündel einzuschlafen gelang ihm meist erst nach stundenlangem Liegen, wenn völlige Erschöpfung ihn
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