Sie kamen bis Konstantinopel
ein Feuer entzündet, über dessen Glut sich ein Spieß drehte, auf dem ein Schaf brutzelte. Ein alter Mann schnitt Stücke für die Reisenden ab, und Daud holte seinem Herrn einige der vor Fett triefenden Fleischbrocken. Dazu legte er auf den Teller noch frisches Brot und rote Melonenstücke, in denen die schwarzen Kerne glänzten. Selbst konnte er sich nur hastig einige Datteln in den Mund schieben, während er Ammâr mit einem Palmzweig die Fliegen und Wespen vom Leib hielt, die der Essensgeruch in Scharen anlockte. Erst als der Mann zufrieden rülpsend den Teller von sich schob, durfte er sich über die halb abgenagten Rippenstücke hermachen und die Reste des Brotfladens in sich hineinstopfen. Kaum war er fertig, ertönte von draußen die Stimme des Vorbeters. Die Männer verließen die Halle, wuschen sich an einem nahen Brunnen und breiteten ihre Gebetsteppiche auf einer freien Fläche nördlich der Straße aus, die vom Dorf kommend nach Fustat führte, das sie morgen erreichen sollten.
»La Ilaha illa Allah, Mohammed rasul Allah!«
Daud, der ganz hinten kniete, sah vor sich die Rücken der Betenden, die sich im rituellen Rhythmus hoben und senkten, bis die Stirnen fast den Boden berührten, während der Vorbeter, ein frommer alter Mann aus dem Lager der Strenggläubigen, mit lauter Stimme die vorgeschriebene Formel wiederholte:
»Es gibt keinen Gott außer Allah, und Mohammed ist sein Prophet!«
Sie waren gerade beim letzten Teil des Gebets angekommen, als Hufgetrappel Daud aufblicken ließ. Von Westen näherte sich ein Reiter, gefolgt von mehreren Fußgängern, darunter eine Frau in einem schlichten grauen Umhang. Der Junge erkannte die Männer an ihren besonderen Ledergürteln als Nasrani; die sie, wie ihm einer der Mitreisenden erzählt hatte, tragen mussten, damit man sie von den Gläubigen unterscheiden konnte.
Plötzlich wieherte das Pferd, bäumte sich auf, brach aus und galoppierte den Weg entlang auf die Knienden zu. Die Vordersten sprangen erschrocken auf und wichen einige Schritte zurück, stolperten über Betende aus den hinteren Reihen, stürzten zwischen diese und rappelten sich wütend schimpfend wieder auf. Vorne waren inzwischen einige Männer dem Pferd in die Zügel gefallen, hatten es zum Stehen gebracht, den Reiter aus dem Sattel gezerrt und schrien mit erhobenen Fäusten auf ihn ein.
Daud verstand kein Wort, offenbar redeten sie in der Sprache der Einheimischen – aber er begriff den Zorn der Gläubigen, deren Gebet durch diese Störung unwirksam geworden war. Jetzt sah er, wie die Fußgänger angelaufen kamen, allen voran die Frau, deren Kapuze zurückgefallen war, so dass ihre hochgesteckten, hellbraunen Locken sichtbar wurden. Er konnte seinen Blick nicht davon lösen, denn in Medina trugen Frauen außerhalb des Hauses ihr Haupt stets bedeckt. In diesem Augenblick schien etwas zu geschehen, dass er nicht sehen konnte. Die Stimmen der Muslime wurden schriller, drohender, die Gebärden heftiger, dazwischen hörte er die Frau, die offenbar Arabisch sprach und mit befehlsgewohnter Stimme die Männer anfuhr, sie loszulassen. Grölendes Gelächter war die Antwort, dann wütendes Geschrei der Nasrani, dazwischen die auf Arabisch protestierende Frau, bis zuletzt die Gruppe in Bewegung geriet und sich der Halle näherte. Daud bemerkte einige Männer, denen man die Hände auf dem Rücken zusammengebunden hatte, aber er selbst hatte nur Augen für die Frau. Sie mochte Anfang Zwanzig sein, war größer als Daud, schlank und hoch gewachsen, und obwohl sie immer wieder von dem hinter ihr gehenden Ammâr gestoßen wurde, so dass sie mehr stolperte als ging, versuchte sie, dennoch ihre Würde zu bewahren.
»Das kommt davon, wenn man Nasrani auf Pferden reiten lässt«, bemerkte einer der Muslime abfällig zu Daud, als er dessen große Augen gewahrte. »Der Ungläubige behauptet, sein Tier sei ihm einfach grundlos durchgegangen, als sei es von etwas gestochen worden.«
»Und was geschieht jetzt mit ihnen?«, erkundigte sich der Junge unbehaglich.
»Wir behalten sie die Nacht über hier. Über den Mann wird morgen der Kadi zu Gericht sitzen, der bei … nun, gerade bei den anderen ist.« Damit machte der Mann eine Kopfbewegung in Richtung des Lagers der Strenggläubigen und lachte hämisch. »Heute Abend wollen wir hier lieber keinen missmutigen Richter rumschleichen haben, wenn du mich verstehst, mein kleiner Weinverächter.«
»Und …« Daud bemühte sich, seine Stimme ruhig klingen zu
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