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Sie kamen bis Konstantinopel

Sie kamen bis Konstantinopel

Titel: Sie kamen bis Konstantinopel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank S Becker
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lassen, während die fremde Frau an ihnen vorüberging »… und sie?«
    »Da kommst du so schnell nicht dran!«, hörte er plötzlich Ammârs Stimme poltern, der sich umgewandt hatte und ihn spöttisch angrinste. »Allenfalls als letzter, wenn wir Männer mit ihr fertig sind. Komm mit!«
    Mit hochrotem Kopf folgte ihm Daud in die Halle, die jetzt Öllampen mit ihrem flackernden Schein erhellten.
    Die Gefangenen wurden in eine Ecke gestoßen und mussten sich dort auf den Boden kauern, während die Glaubenskämpfer einen großen Kreis bildeten. Einer nach dem anderen trat in seine Mitte, warf sich in die Brust und berichtete von seinen Taten, den Kämpfen gegen die Ungläubigen und der reichen Beute in den eroberten Städten. Von Gold, kostbar gewebten Stoffen, Schwertern mit edelsteinbesetzten Griffen und fein ziselierten Klingen, silbernen Gefäßen, Kästchen aus Elfenbein mit roten Rubinen, schnellen Pferden … und von Frauen. Frauen mit Haaren, die ihnen in weichen Wellen über die Schultern fielen, Frauen mit großen dunklen Augen, mit fein geschwungenen Nasen, sinnlichen Lippen, schlanken Taillen und langen Beinen, Frauen mit zärtlichen Händen, vollen Brüsten und üppigen Hinterteilen.
    Die Zuhörer hingen an den Lippen der Erzähler, belohnten sie mit Applaus und ließen immer wieder die Weinbecher kreisen. Daud beobachtete sie mit einer Mischung aus Abscheu und Bewunderung. Im Laufe der vergangenen Tage hatte er auch die guten Seiten der Männer schätzen gelernt: Ihre Offenheit, ihre Hilfsbereitschaft und ihre Fähigkeit, klaglos Härten zu ertragen. Obgleich die Wut über seine Verschleppung noch in ihm glomm, musste er sich doch eingestehen, dass er diese Krieger zugleich beneidete. So stark wie sie wollte er werden – so tapfer, siegreich, bewundert, begehrt – nur nicht so grob, unbeherrscht, gierig, lüstern …
    Er horchte auf, als die Stimmen lauter wurden, fünf Männer sich erhoben, in die Mitte des Kreises traten und begannen, mit kleinen Holzpfeilen ein altes arabisches Glücksspiel zu spielen. Ammâr war dabei, und noch einige weitere Anführer. Alle schienen guter Laune zu sein, klopften sich gegenseitig auf die Schultern, stellten auch einmal in scherzhaftem Tone die Männlichkeit des anderen infrage, nur um jedoch sogleich weiterzuspielen.
    »Worum geht es?«, fragte er einen stillen jungen Mann, mit dem er sich in den letzten Tagen etwas angefreundet hatte, und der mit verkniffenem Mund zusah.
    »Sie legen fest, wer als erster darf«, murmelte der Angesprochene und strich sich missmutig über das gelockte Haar.
    »Was darf?«, fragte Daud arglos, obgleich ihn eine schreckliche Ahnung beschlich.
    »Die Frau nehmen«, entgegnete der Mann. »Angeblich hat sie bei ihrer Gefangennahme einen von uns geohrfeigt. Eine Nasranifrau, die einen Muslimmann schlägt … das darf man nicht dulden. Damit hat sie sich außerhalb des Gesetzes gestellt, das sie als Dhimmi schützt.«
    Daud schwieg, doch er spürte, wie sich sein Magen zusammenzog. Erst jetzt verstand er, dass Ammârs Bemerkung von vorhin alles andere als ein Scherz gewesen war. Langsam stand er auf, ging gebückt zum Rand der Halle, und als er sicher war, dass ihn keiner beachtete, schlich er sich an der Lehmziegelmauer entlang bis zu der Ecke, in der die Gefangenen saßen. Die fünf Männer sahen auf; einer, ein Greis mit langem, weißem Bart, richtete das Wort an ihn. Daud verstand die Sprache nicht und schüttelte verlegen den Kopf.
    »Er fragt, was du von uns willst«, hörte er die Stimme der Frau und sah sich um. Sie saß ein Stück entfernt, die zusammengebundenen Hände auf dem Schoß, und ihre großen, dunklen Augen strahlten eine Stärke aus, die ihn kurz den Blick niederschlagen ließ. Sogleich jedoch ärgerte er sich über sich selbst, und er musterte ihr regelmäßiges Gesicht mit der hellen Haut, den ausgeprägten Wangenknochen und den geschwungenen Brauen. Ihr Körper war von dem grauen Umhang verhüllt, doch hatte sie die Kapuze nicht wieder aufgesetzt, so dass Daud ihr Haar sehen konnte. Es war voll, leicht gewellt und aufgesteckt, nur an einer Seite hatte sich eine Locke gelöst und hing ihr auf die Schulter.
    »Verstehst du mich?«, fragte sie in einem einfachen, aber fehlerfreien Arabisch, das aus ihrem Munde weich und melodisch klang. Er nickte befangen.
    »Der Reiter soll morgen dem Kadi vorgeführt werden. Die anderen haben nichts zu befürchten, au… außer …«
    Er zögerte und hielt inne, als die Frau

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