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Sie kamen bis Konstantinopel

Sie kamen bis Konstantinopel

Titel: Sie kamen bis Konstantinopel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank S Becker
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unterwegs die Zeit damit, schwierige Worte, bei denen er sonst gestottert hätte, so lange leise zu wiederholen, bis er sie immer besser meisterte.
    Erneut ritten sie nun endlos scheinende Felswüsten empor, durchquerten ausgedörrte Flusstäler und passierten hoch aufragende Schichten aus weißem Kalkstein, in denen dunkle Feuersteinknollen glänzten. Immer weiter zog die Karawane in Richtung der Abendsonne, bis das Land mit der Zeit wieder abfiel und nicht mehr ganz so lebensfeindlich wirkte. Noch einmal glänzte links das Meer, dann sahen sie erste Dörfer, in denen die Menschen ungewöhnliche Ledergürtel trugen und die Reisenden scheu anstarrten.
    »Nasrani«, sagte einer der Mitreisenden zu Daud, als er den verwunderten Blick wahrnahm, mit dem dieser einen kleinen Turm musterte, auf dem ein Kreuz in den Himmel ragte. Daud hatte schon von diesem seltsamen Glauben gehört, dessen Anhänger sich Christen nannten und darauf beharrten, dass ihr Prophet Isa den Sklaventod am Kreuz gestorben sei. Dabei konnte doch jeder einsichtige Mensch in der vierten Sura des Korans nachlesen, dass nicht dieser Isa, sondern ein Anderer an seiner Stelle getötet worden war!
    In Medina gab es keine Nasrani, doch Daud wusste, dass sie zu den Dhimmi gehörten, den Schutzbefohlenen des islamischen Reiches, die als ›Völker des Buches‹ ihren Glauben ausüben durften, sofern sie die muslimische Herrschaft anerkannten, die Kopfsteuer zahlten und die vorgeschriebene Kleidung trugen. Dieses Vorrecht galt auch für die Juden, die einst zahlreich in Medina gelebt hatten. Doch hatte der Prophet, gepriesen werde sein Name, sie dort der Verräterei angeklagt, sie vertrieben, in die Sklaverei verkauft oder töten lassen.
    Endlich, als es nicht mehr weit bis Fustat, dem Ziel ihrer Reise, sein konnte, machten sie mittags am Rande eines Dorfes Halt, in dessen Mitte sich ein festungsähnliches Mauergeviert erhob, aus dem dumpfe, melodische Töne drangen. Ein sogenanntes Monastir, wie Daud aus den Gesprächen der Mitreisenden erfuhr, in dem Mönche lebten. Fromme Nasrani, die keine Familie hatten und nichts anderes taten, als ihr Leben der Verehrung dieses Isa zu widmen; von den Nakus genannten Klanghölzern wurden sie zum Gebet gerufen.
    Nachdem ein hitziger Wortwechsel zwischen den Reisenden entbrannt war, machte sich schließlich eine Abordnung zu den Bewohnern des Monastirs auf, die bald schmunzelnd zurückkehrte, große Krüge geschultert. An diesem Tag ritten die Männer nicht mehr weiter, denn einige, darunter Ammâr, schienen es eilig zu haben, baldmöglichst das Lager aufzuschlagen. Der feiste Mann wirkte leutseliger als sonst und unterließ sogar die üblichen Kränkungen, als er Daud zu sich rief.
    »Ich glaube, du hast jetzt genug für deine Aufsässigkeit gebüßt«, knurrte er und strich sich selbstgefällig über den Bart.
    »Jawohl, mein Herr.« Daud hielt den Kopf gesenkt, damit der Mann nicht den Hass in seinen Augen funkeln sah.
    »Ich könnte mir vorstellen, dir gegenüber gnädig zu sein. Dir also ab heute Nacht die Fesseln zu ersparen … sieh mich an!« Daud hob folgsam den Kopf. Der Mann wiegte den dicken Kopf und kratzte sich gedankenverloren einen Mückenstich. »Wie gesagt, ich könnte …«
    Die kleinen Augen musterten abschätzend Daud, der an sich halten musste, nicht auszuspucken. Stattdessen nickte er nur stumm, bemüht, seinen Zügen einen ergebenen Ausdruck zu verleihen, und senkte gleich wieder den Kopf, da sein linkes Augenlid zu zucken begann.
    »Voraussetzung wäre, dass du einsiehst, dass ich dich zu Recht gestraft habe.« Der Mann stand breitbeinig vor ihm und hakte selbstgefällig die Hände in seinen Gürtel aus rotem Seidenstoff. »Ich will«, sagte er geruhsam, »dass du verstehst, warum ich dich prügeln musste – auch wenn mir das nicht leichtfiel. Tust du das?«
    Daud, der sich nur zu gut an die hämische Freude erinnerte, mit der Ammâr die Peitsche geschwungen hatte, grub die Fingernägel in seine Handballen und schluckte. Die Versuchung, seine Fäuste in diesen fetten Bauch zu rammen, der sich da vor ihm wölbte, ganz gleich, was danach kommen mochte, war fast übermächtig. Doch noch rechtzeitig besann er sich der List, der er sich verschworen hatte, und murmelte ergeben: »Ja, das tue ich. Ihr hattet R… Recht, mich zu prügeln …«
    Der Mann schien ein wenig überrascht, grinste dann aber und rieb sich die Hände. »Das freut mich für dich. Ich werde dir die Fesseln ersparen, wenn du mir

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