Sie kamen bis Konstantinopel
mit gedämpfter Stimme zu übersetzen begann, sah die Nasrani nicken, und wartete, bis sie ihn wieder anblickte. Als er weitersprechen wollte, brachte er es jedoch nicht über sich. Sein Hals war wie zugeschnürt, er schluckte und begann stärker zu stottern. »Sie w… wollen … dir … Ge… Gewalt an … ttt… tun …«
Sie sah ihn fragend an, als hätte sie nicht verstanden, so dass er langsam, ruhiger wiederholte. »Gewalt antun. Einer nach d… dem anderen. Sie spielen um die Reihenfolge …«
Dröhnendes Lachen scholl von der Gruppe herüber und einer der Männer, ein hagerer Alter mit weißem Turban, reckte die Rechte wie ein siegreicher Feldherr. Jetzt schien die Frau zu begreifen, ihre gefesselten Hände verkrampften sich und nach kurzem Zögern murmelte sie: »Das ist die Strafe des Herrn für meine Unbeherrschtheit … Ich habe nicht gehandelt, wie es Jesus getan hätte, obwohl ich eine Braut Christi bin.«
»Was für eine Braut?«, fragte Daud verständnislos. »Und was hast du getan?«
Sie sah ihn nachdenklich an. »Seit einer Woche bin ich eine Nonne, das ist ein weiblicher Mönch. Ich habe das Gelübde abgelegt, ein frommes Leben zu führen. Bevor ich für immer in mein Monastir eintrete, wollte ich zu dem Berg pilgern, auf dem einst Moses die Tafeln mit den zehn Geboten empfing …« Sie schwieg und senkte traurig den Kopf. »Aber gleich das erste Mal, als mich Gott in Versuchung führt, werde ich schwach und handele erneut wie die hochmütige Herrin, die ich in Alexandria war, anstatt demütig im Geiste von Jesus, den ihr Isa nennt …«
Daud sah sie verständnislos an. »Wie hätte denn dieser Isa ge… gehandelt?«
»Wenn dich jemand auf die eine Wange schlägt, so halte ihm die andere hin, hat er einst gesagt. Und er hat auch so gelebt und ist so gestorben – für uns … Ich dagegen habe die mir auferlegte Prüfung nicht bestanden und eine Beleidigung mit einer Ohrfeige vergolten …«
Wieder brandeten die Stimmen aus dem Kreis der Männer empor, der zweite Gewinner schien festzustehen.
»Aber wenn man so duldsam ist, breitet sich d… dann nicht das Böse immer weiter aus?«, wunderte sich Daud.
»Und, tut es das so etwa nicht?«, gab sie zurück. »Böses mit Bösem zu vergelten, wohin führt das, außer zu neuem Übel?« Sie sah ihn prüfend an. »Woher kommt die Wunde in deinem Gesicht?«
Daud betastete die verschorfte Schwiele, die sich von der linken Augenbraue über die Wange zum Kinn zog. »Das hat mir mein Herr angetan«, sagte er leise, »aber eines Tages wird er dafür bezahlen!«, trumpfte er auf.
»Willst du ihn töten? Das musst du nämlich, sonst lässt er wieder dich bezahlen. Und seine Söhne werden dich töten. So geht das ewig weiter, wenn niemand die Kette unterbricht«, entgegnete sie ruhig. »Auge um Auge, und die Welt erblindet.«
Daud wusste nicht, was er antworten sollte und wechselte das Thema.
»Wieso kannst du unsere Spr… Sprache?«
»Weil ich sie gelernt habe, als unser Land von euch Sarazenen erobert wurde.« Sie schwieg eine Weile. »In Alexandria, bei mir zu Hause, sprechen wir Griechisch. Aber als meine Eltern noch in einer Stadt namens Karthago lebten, haben sie untereinander nur Latein gesprochen. Doch dann wurde mein Vater von Kaiser Herakleios nach Alexandria berufen, als dieser die Perser aus Ägypten vertrieben hatte.«
Daud war verwirrt ob all dieser Namen, die ihm nichts sagten. »Was ist das, Latein?«, fragte er zuletzt.
Die Frau sah ihn verwundert an, doch dann erklärte sie geduldig. »Das sprechen die Römer, die Rum, wie ihr sie nennt, im Westen ihres Reiches. In der Provinz Africa und in der Stadt Rom, wo einst die Kaiser regierten. Das war vor vielen Hundert Jahren, bevor unsere Herrscher ihre Hauptstadt nach Konstantinopel verlegten …«
Der Junge schwieg. Es gab so vieles, das er nicht wusste. Er ließ seinen Blick durch den Raum schweifen. Die braunen Balken, auf denen das Ziegeldach ruhte, verschwammen in der Dunkelheit; ein Gecko lief mit ruckartigen Bewegungen die Lehmziegelwand empor. Einige Schritte entfernt starrten die Glaubenskämpfer auf die Männer in ihrer Mitte, unter denen die füllige Figur von Ammâr herausragte. Endlich fasste er sich ein Herz.
»Du musst fliehen, sonst f… fallen sie über dich her. Einer nach dem anderen. Vielleicht ka… kann ich dir helfen … Wie heißt du?«
»Thekla ist mein Name«, erwiderte sie und schüttelte den Kopf. »Nein, wie sollte das gehen? Es gibt nur
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