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Sie kamen bis Konstantinopel

Sie kamen bis Konstantinopel

Titel: Sie kamen bis Konstantinopel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank S Becker
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einen Ausgang, und der ist bewacht.«
    »Ich könnte ins Dorf laufen u… und Hilfe holen. Die Wand besteht aus Lehm – wenn einige Männer die Muslime abl… ablenken und andere unterdessen von außen ein Loch stemmen …« Einen wirren Augenblick lang stellte er sich vor, wie er die Fremde retten würde, um mit ihr zu fliehen; wie sie sich in ihn verlieben und seine Frau werden würde …
    »Das ist unmöglich, und das weißt du auch«, unterbrach ihre weiche Stimme seine Gedanken, »doch es ist gut gemeint. Gib mir deine Hand.« Sie streckte ihm ihre gefesselten Hände entgegen und er nahm sie mit seiner Rechten. »Danke«, sagte sie leise. »Du bist gut, besser als mancher Christ … Wie heißt du?«
    Der Junge fühlte, wie seine Augen feucht wurden und schämte sich gleichzeitig seiner Schwäche.
    »Daud«, flüsterte er. »Soll ich dir wenigstens einen Dolch bringen, da… damit … ich meine, bevor die anderen …«
    Ruhig schüttelte Thekla erneut den Kopf. »Nein, das verbietet mein Glaube. Nur Gott, der uns das Leben gegeben hat, darf es wieder nehmen.« Doch als sie seine Verzweiflung bemerkte, lächelte sie ihn mit einem Male an. »Mach dir keine Gedanken. Sie werden mich nicht schänden.«
    Daud musterte sie unsicher, und plötzlich keimte Hoffnung in ihm auf. Er sah ihre dunklen Augen, die gerade Nase, den breiten, leicht geschwungenen Mund, die etwas geöffneten Lippen. So mussten die Jungfrauen des Paradieses beschaffen sein, in das jeder Kämpfer sofort eingehen würde, der für den Glauben fiel.
    »Siehst du meinen Reisesack dort?« Daud folgte ihrem Blick und nickte. »Darin findest du einen Stein. Hol ihn heraus und bring ihn her.«
    Der Junge tat, wie ihm geheißen. Der Stein war rund, sein Durchmesser betrug weniger als eine Daumenlänge. Außen trug er ein fünfzackiges, regelmäßiges Warzenmuster.
    »Was ist das?«, fragte er verwundert.
    »Das ist ein Seeigel. Solche Tiere leben im Meer. Diesen hier hat mir ein heiliger Mann geschenkt, der bei den Pyramiden lebt. Das sind große, von Menschen gemachte Berge. Dort hat er ihn gefunden – mitten auf dem trockenen Land.«
    »Aber wie kommt er dahin? Und wieso ist er aus Stein?«
    Thekla lächelte. »Gute Fragen. Kennst du die Geschichte von Noah und der großen Flut?«
    Daud nickte. »Ja, in der elften Sura des Korans sagt Allah zu ihm: ›Und baue dir die Arche vor unseren Augen und nach unserer Offenb… Offenbarung, und sprich mir nicht weiter von den Ungerechten; siehe, sie sollen ertrinken.‹«
    »So sagt auch die Überlieferung der Christen. Dieses Tier blieb nach der Sintflut zurück, und Gott ließ es zu Stein werden. Damit es die Zeiten überdauert und die Menschen nie sein Strafgericht vergessen. Ich schenke es dir.«
    Daud befingerte ehrfürchtig den Stein. »Danke, danke vielmals. Allah sei mit dir.« Schnell steckte er die Gabe ein und sah die Frau scheu an.
    »Darf ich … dein Haar berühren?«, fragte er stockend. Als sie nickte, nahm er andächtig die Locke, die sich gelöst hatte, zwischen Daumen und Zeigefinger. Da erfüllten erneut Beifallsrufe die Halle, und als er herumfuhr, sah er einen zufrieden grinsenden Ammâr, der beide Hände über seinen Turban erhob, sie wie der Sieger in einem Kamelrennen schüttelte und sich in der Halle umblickte.
    »Das ist Ammâr, mein Herr«, flüsterte Daud. »Ich m… muss sehen, was er von mir will, sonst schöpft er Verdacht.«
    »Geh nur, Daud«, nickte Thekla, »und mach dir um mich keine Sorgen. Du kannst nichts für mich tun. Gott wird mir helfen …«
    »Wirklich?« Er betrachtete sie ein letztes Mal, und sie erschien ihm schöner als jede Frau, die er jemals gesehen hatte. Dann stand er auf, schlich die Wand entlang zurück zu den Männern und kauerte sich an seinen Platz. Bald darauf waren die zwei letzten Gewinner ermittelt, und nach kurzem Jubel senkte sich Stille über die Halle. Die fünf Kämpfer traten von einem Bein aufs andere und grinsten verlegen, bis schließlich der hagere Alte mit dem weißen Turban ungeduldig das Schweigen brach.
    »Schafft sie endlich her, ich bin der erste.«
    Zwei am Rande Sitzende sprangen auf, und wenig später führten sie Thekla heran. Dauds Herz raste, als er sah, mit welcher Gelassenheit die schöne junge Frau den Männern entgegentrat, die sie mit ihren Blicken auszuziehen schienen.
    Der Mann mit dem weißen Turban streckte zögernd seine Hand nach ihr aus, doch Thekla lächelte ihn an und fragte so laut, dass alle im Saal sie

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