Sie kamen bis Konstantinopel
Heiligen Cosmas und Damianus, da Patricius einen berühmten Prediger hören wollte. Die Innenwände des Baus, einst die Halle des Stadtpräfekten, schmückten farbige Marmorplatten. Da sie noch etwas zu früh waren, wagte Pelagia es, nach einigen unverfänglichen Sätzen wieder einmal das Thema anzusprechen, das ihr besonders am Herzen lag.
»Wenn der Kaiser kommt, was wird er in Rom tun? Wen wird er empfangen?«
»Den Papst, den Exarchen, Militärs, Würdenträger der Stadt«, antwortete Patricius ohne zu zögern. »Warum interessiert dich das?«
Pelagia berichtete offen von dem Gespräch mit ihrem Vater, von der finanziellen Notlage ihrer Familie und ihren Hoffnungen, fragte dann voller Zuversicht. »Will Konstans wirklich die Hauptstadt des Reiches zurück nach Rom verlegen?«
»So heißt es bei Hofe«, erwiderte Patricius zurückhaltend. »Schon sein Großvater Herakleios hatte diesen Gedanken gehabt. Seitdem der Basileus, wie man munkelt, seinen Bruder, den Diakon Theodosius, aus dem Weg geräumt haben soll, ist er beim Volk von Konstantinopel verhasst.«
»Willst du sagen, dass er ihn ermorden ließ?«, fragte sie entsetzt. »Das kann ich nicht glauben!«
Patricius zuckte gleichgültig mit den Schultern. »Es wäre wohl nicht das Einzige, das er auf dem Gewissen hat.«
In diesem Augenblick begann der Gottesdienst. Nachdem der alte, weißhaarige Priester die Gemeinde begrüßt hatte, rief er mit lauter Stimme: »Was gibt es, was in dieser Welt noch erfreut? Überall sehen wir Trauer, überall hören wir Geseufz; die Städte sind zerstört, die Burgen geschleift, die Äcker verwüstet, die Erde zur Einöde gemacht. Auf den Feldern blieb kein Bauer, in den Städten kaum ein Bewohner zurück, und doch werden selbst noch die kleinen Reste des Menschengeschlechts täglich getroffen, nehmen die Geißelschläge der himmlischen Gerechtigkeit kein Ende, weil nicht einmal unter solchen Strafen die Sündenschuld getilgt wird!«
Pelagia blickte sich verstohlen um, sah die müden Augen der Männer, die abgehärmten Gesichter zu früh gealterter Mütter, die hungrigen Blicke der Kinder, und fragte sich dabei, welche Sünden diese Menschen wohl auf ihr Gewissen geladen haben mochten, dass Gott sie so unbarmherzig züchtigte.
»In welchem Zustande aber Rom, einst die Herrin der Welt, zurückgeblieben ist«, hallte die Stimme durch den Raum, »das ist uns deutlich genug: von unermesslichem Schmerz, von Entvölkerung der Bürger, vom Sturm der Feinde, vom Schutt der Ruinen ist sie daniedergebeugt, so dass in ihr erfüllt zu sein scheint, was einst der Prophet Ezechiel über Samaria vorausgesagt hat: ›Stelle den Topf auf, gieße Wasser hinein, und tue darin ihre Stücke. Häufe die Knochen zusammen, dass ich sie mit Feuer entzünde, es soll das Fleisch aufgezehrt, und ihre ganze Masse verkocht werden, und die Knochen sollen zergehen.‹ Ja, damals ward uns der Topf aufgestellt, als Rom gegründet wurde …«
Die unbarmherzige Stimme, die immer weiter in düsteren Vergleichen schwelgte, machte Pelagia Angst. Hilfe suchend wanderte ihr Blick über die flackernden Öllampen, die ihren Schein auf unzählige Ikonen warfen. Ihre Augen verweilten an dem vor goldenem Zierrat strotzenden Altar, um sich zuletzt zu dem großen Bogen zu erheben, den Mosaiken mit Engeln und den Symbolen der vier Evangelisten zierten, doch nirgends fand sie Trost.
»Aber siehe, nun sind schon von ihr alle Mächtigen dieser Welt genommen, die Knochen sind verkocht, die Völker sind abgefallen, das Fleisch also ist zergangen«, donnerte der Prediger jetzt. »Denn wo ist der Senat? Wo ist das Volk? In ihr ist aller Glanz weltlicher Würden ausgelöscht. All ihre Masse ist geschwunden, und doch bedrängen selbst uns wenige, die wir übrig blieben, täglich das Schwert und unzählige Plagen!« Der Mann schwieg erschöpft, sah sich um, und glich einer der Heiligenfiguren, die hoch oben im Apsismosaik den thronenden Christus flankierten und in unnahbarer Strenge auf das Elend der Gläubigen herabblickten, während darunter noch immer die Darstellung der römischen Wölfin mit den Zwillingen prangte.
»Denn weil der Senat fehlt, das Volk unterging, und weil sich dennoch bei den wenigen, die noch leben, Schmerzen und Seufzer täglich mehren, so brennt schon das leere Rom. Was aber sagen wir von den Menschen, da wir durch wiederholten Einsturz selbst die Gebäude zerstört sehen? Wo sind diejenigen, die sich einstmals an dem Ruhm derselben entzückten? Wo
Weitere Kostenlose Bücher