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Sie kamen bis Konstantinopel

Sie kamen bis Konstantinopel

Titel: Sie kamen bis Konstantinopel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank S Becker
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besorgt.
    Sie nickte stumm. Ein Scharren und Stöhnen, gefolgt von einem Schlag ließ sie auffahren. Neben ihr lag der leblose Körper des Einsiedlers, über den sich ein großer, kräftiger Mann beugte, die Rechte noch zur Faust geballt. Er lächelte sie gewinnend an und reichte ihr die Hand, wobei sie bemerkte, dass Mittel- und Ringfinger gleich lang waren. Schwankend kam sie auf die Beine. Seiner Kleidung nach musste der Fremde ein Priester sein. Unter rotblondem Haar musterten sie blaue Augen, das regelmäßig geschnittene Gesicht wirkte freundlich, dabei zugleich jedoch energisch und anziehend.
    »Meine Name ist Patricius«, hörte sie ihn sagen.
    »Und meiner Pelagia«, antwortete sie, wobei sie lächelte und unwillkürlich versuchte, ihr zerzaustes Haar zu ordnen. »Danke für die Rettung. Wie kommt Ihr, ein Mann Gottes, dazu, Euch für mich zu schlagen?«
    Patricius zuckte mit den Schultern. »Wo Milde nichts fruchtet …«
    »Warum hat er auch nicht auf Salomo gehört, der da sagt: ›Trachte nicht nach Bösem gegen deinen Nächsten, der arglos bei dir wohnt‹«, warf Urso forsch mit einem Seitenblick auf Georgios' leblosen Körper ein.
    »Oh Gott«, seufzte der Mann, der sich Patricius nannte. »Nach zehn Jahren noch immer diese Sprüche?«
    Urso nickte zufrieden. »Wo sie passen … aber eigenmächtig getauft habe ich nie wieder!«
    Als Pelagia ihn verständnislos ansah, erzählte er kurz, wie die beiden sich kennengelernt hatten und gemeinsam nach Rom gereist waren.
    »Als dann Patricius im Gefolge des Papstes nach Konstantinopel verschleppt wurde, saß ich alleine in dieser Stadt voll toter Heiliger und lebender Pilger. Da habe ich bei einem alten Fremdenführer angeheuert, der einen Gehilfen suchte, der die Bajuwarensprache verstand. Drei Jahre lang habe mir alles gemerkt und bin jetzt der Beste, den man für Geld finden kann!«
    »Soso«, meinte Pelagia und wandte sich an den Priester. »Und wieso seid Ihr jetzt wieder in Rom?«
    »Ich kam nach Italien im Gefolge des Basileus Konstans, der …«
    »Ihr kennt den Kaiser?«, unterbrach ihn Pelagias mit leuchtenden Augen. »Wo ist er?«
    »Nördlich von Neapolis. In wenigen Tagen wird er mit seinem Heer in Rom einziehen. Ich kam mit einer Gruppe, die seinen Besuch vorbereiten soll.«
    »Und da erblickte ich ihn zu meiner Überraschung und Freude auf dem Forum«, warf Urso, auf eine Holzlatte gestützt, stolz an Pelagia gewandt ein. »Ich konnte ihn überreden, mitzukommen, um Euch aus der Bibliothek zu holen.«
    »Gerade noch rechtzeitig …«, entgegnete Pelagia schaudernd mit einem Blick auf Georgios, der bereits aus seiner Bewusstlosigkeit zu erwachen schien.
    »Urso!«, rief da Patricius.
    Der hatte die Holzlatte in der Hand und war dabei, auszuholen.
    »Dafür!«, sagte er und zeigte auf den Bluterguss in seinem Gesicht.
    »Nein!«, fuhr ihn der Priester an. »Lass das, er kann uns nichts mehr tun. Du solltest lieber beherzigen, was dein geliebter Salomo gesagt hat: ›Geh weg von dem Toren, denn du lernst nichts von ihm.‹«
    Urso ließ mit sichtlichem Bedauern den Prügel fallen und sie verließen die Bibliothek.
    Ohne dass sie sagen konnte, warum, fühlte sich Pelagia zu dem großen, gut aussehenden Priester hingezogen. Urso dagegen dankte sie für seine Dienste und drückte ihm einen jener kleinen, dicken Solidi in die Hand, die sie aus Karthago mitgebracht hatte – worauf sie den jungen Mann mühsam davon abhalten musste, ihr um den Hals zu fallen. In den nächsten Tagen richtete sie es so ein, dass sie möglichst oft in Patricius' Gesellschaft sein konnte und er schien nichts gegen ihre Begleitung zu haben – sofern er es nicht gerade mit Mönchen, anderen Priestern oder den Vertretern des Papstes zu tun hatte.
    Pelagia war besonders an allem interessiert, was den Kaiser betraf, und Patricius beschrieb ihr bereitwillig den Prunk des Palastes in Konstantinopel, den Glanz der Mosaiken an den Wänden, die golddurchwirkten Stoffe, das steife Zeremoniell, erwähnte aber auch die Intrigen am Hofe, die hitzigen Debatten um die Natur Christi und das Elend der Flüchtlinge, die aus den von den Sarazenen verheerten Provinzen in die Stadt am Bosporus strömten. Doch als Pelagia wissen wollte, was damals auf seiner Reise nach Konstantinopel geschehen war, verstummte er abrupt und schüttelte abwehrend den Kopf. »Darüber möchte ich nicht sprechen …«
    ***
    Eines Sonntags gingen sie gemeinsam zum Nachmittagsgottesdienst in die Kirche der

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