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"Sie koennen aber gut Deutsch!"

"Sie koennen aber gut Deutsch!"

Titel: "Sie koennen aber gut Deutsch!" Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Gorelik
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Bewunderung. Ich möchte aber weder bestaunt noch bewundert werden für etwas, das für mich so selbstverständlich ist. Eine gute Freundin (mit Migrationshintergrund; ich erwähne das nur deshalb, weil es an dieser Stelle relevant ist) verdiente sich während ihres Studiums ihren Unterhalt unter anderem mit Nachhilfe, auch in Deutsch. Über ein Jahr lang gab sie einem Kind Nachhilfe in diesem Fach, erfolgreich, seine Noten verbesserten sich, die Eltern freuten sich, alles war gut. Dann, in einem Nebensatz erwähnte meine Freundin, dass sie nicht in Deutschland geboren worden, sogar erst mit vierzehn Jahren hierher gezogen war. Und bekam daraufhin zu hören: »Sie sprechen aber gut Deutsch!«

    Â»Ja, ich habe es Ihrem Sohn ja auch beigebracht.« Eine Reaktion, die einem meistens erst hinterher einfällt, in der WG-Küche, in der man sich über den Vorfall aufregt.
    Man steht oder sitzt als Vorzeigeausländer da und lässt sich für etwas beklatschen, was so beklatschenswert nicht ist, weil es normal ist. Es fällt uns nur meistens gar nicht auf, eben deshalb, weil so viele mit Migrationshintergrund gut Deutsch sprechen, so gut, dass wir nie auf die Idee kämen, sie dazu zu beglückwünschen, weil uns ihr Migrationshintergrund – außer bei manchen vielleicht wegen des Aussehens, aber da wagt man ja nicht nachzufragen – gar nicht auffallen würde. Unser Alltag ist voller solcher Menschen, wir sitzen neben ihnen im Bus, wir stehen hinter ihnen in der Supermarktschlange, wir lassen uns von ihnen beim Einkaufen (nicht nur von Gemüse, sondern auch von Büchern) beraten, wir begegnen ihnen jeden Tag und nehmen sie noch nicht einmal richtig wahr, und das ist gut so. Es ist gut so, weil es bedeutet, dass sie unser Alltag, unsere Realität sind, weil ihre Anwesenheit »normal« ist, auch wenn dieser Begriff fraglich ist, »normal« in einem positiven Sinn, in dem nämlich, dass ihre Anwesenheit nicht in Frage gestellt wird.
    Und weil das so ist, ist mir nicht klar, wozu wir dann all die anderen brauchen, die wir in Fernsehstudios oder auf Podien setzen, mit denen wir angeben, die wir vorstellen und vorführen, wie in einem Zoo oder einem Zirkus eben, im Migrantenzirkus. Schauen Sie mal, er oder sie hat das Unmögliche geschafft! Es ist aber nicht unmöglich, dass es alles andere als unmöglich ist, zeigt uns die Realität in diesem Land. Und deshalb schämt man sich immer ein wenig, wenn man als Vorzeigeausländer auftreten darf, weil einem dann all die Freunde und Bekannten und Unbekannten in den Sinn kommen, die einem alleine an diesem Tag begegnet sind und genauso gut
auf diesem Platz sitzen könnten, man schämt sich, weil der Platz so unverdient ist. Und genau deshalb sagte Deniz Baspinar zu mir, die Psychotherapeutin ist und eine Kolumne namens »Kölümne« für Zeit Online schreibt, als ich sie fragte, was sie sich wünscht: »Ich will kein gutes Beispiel sein müssen, weil ich eine von vielen bin, weil das, was ich bin, nicht die Ausnahme ist, sondern die Normalität. Nicht Normalität sind die Ehrenmorde, auch wenn das genau andersherum dargestellt wird.«
    Oder um es mit den Worten von einem zu sagen, der mittlerweile unter anderem die deutsche Leitkultur an sich, nämlich den obligatorischen Tatort am Sonntagabend verkörpert, in dem er den Kommissar in Hamburg spielt: »Das höchste Maß an Integration ist Normalität.« Das sagte der Schauspieler Mehmet Kurtulus kurz vor der Ausstrahlung seines ersten Tatorts , er fügte hinzu, dass er es gerne sehen würde, dass die Menschen den Filmdialogen lauschen, weil sie die Handlung spannend finden, nicht, weil sie hören wollten, ob man ihm irgendeine Art von Akzent anmerkt. Und die NDR-Fernsehfilm-Chefin Doris Heinze ergänzte: »Einen Vorzeigetürken brauchen wir nicht.« Aber ist Normalität nicht, wenn man auf diese Tatsache nicht mehr hinweisen muss, wenn der Nachsatz einfach überflüssig klingen würde?
    (Ach ja, und da wir gerade beim Thema Tatort sind, muss ich eines noch loswerden: Ich persönlich glaube ja, dass die Integration beim Tatort endet. Noch nie habe ich einen Migranten getroffen, der diese Fensehserie gerne sähe. Oder der verstanden hätte, warum man sich immer am selben Tag der Woche, immer um dieselbe Zeit einen – meistens – nicht so spannenden Krimi anschauen muss.

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