"Sie koennen aber gut Deutsch!"
Wenn das die deutsche Leitkultur ist, dann werden wir wohl nie richtige Deutsche, auch wenn wir uns Mühe geben und immer wieder am Sonntagabend
den Fernseher einschalten. Während der Sarrazin-Debatte rief ich an einem Sonntagabend eine Freundin mit Migrationshintergrund an, die mich kurz vor 20 Uhr 15 unterbrach: »Entschuldige, aber ich muss mich jetzt mal endlich integrieren. Ich muss Tatort schauen.« Aber das nur so nebenbei.)
Es gibt auch Migranten, die sich gut in der Rolle des Vorzeigeausländers gefallen. Es sind meist diejenigen, die den Moment im »Braver-Ausländer«-Rampenlicht nutzen, um gegen andere zu wettern, die sich nicht so viel Mühe geben wie sie selbst. Die die Gunst der Stunde vielleicht sogar nutzen, um sich »auf die sichere Seite zu bringen« und die Reden der konservativen Zuwanderungskritiker dieses Landes aufzugreifen, um auch ihre eigenen Ãngste zu äuÃern, Deutschland könne sich selbst abschaffen (bzw. lieÃe sich gerade von Anders-Denkenden, Anders-Sprechenden, vor allem von Anders-Glaubenden abschaffen). Mit solchen ÃuÃerungen integrieren sie sich noch weiter in Deutschland, in ein Deutschland, das von Ãngsten beherrscht wird anstatt von der Realität. Aber wie man sich im »Braver-Ausländer«-Rampenlicht verhält, ist selbstverständlich jedem selbst überlassen, von mir aus kann sich jeder, der möchte, für diese Art der politischen Argumentation vereinnahmen lassen. Ich persönlich allerdings fühle mich als Vorzeigemigrantin eher wie ein Hund, patsch, patsch, gut gemacht, feiner Ausländer. Und jetzt: Sitz!
Die Vorzeigeausländer, die wir im Fernsehen sehen, sind alles andere als immergültige Beispiele für die Realität, weil das türkische Mädchen, das einen IQ von 160 hat und fünf Sprachen spricht, obwohl ihre Mutter Analphabetin ist, genauso wenig für Abertausende türkischer Mädchen steht, wie dasjenige, das von den eigenen Brüdern ermordet wird, weil es eine voreheliche sexuelle Beziehung eingegangen ist. Sie sind
beide Ausnahmen, positive oder negative, wie es sie in jeder ethnischen Gruppe, in jeder Gesellschaft, in jedem Milieu, in jedem Land gibt. Die Vorzeigeausländer, die wir im Fernsehen zu sehen bekommen, sind häufig zudem nicht gut integriert, wie es in der Bauchbinde heiÃt, sondern vielmehr assimiliert. Auch das ist keine repräsentative Eigenschaft. Die meisten Menschen mit Migrationshintergrund, die ich kenne, neu kennengelernt habe im Zuge der Arbeit an diesem Buch (womit ich sagen möchte, dass ich mich nicht nur auf meinen Freundeskreis beziehe, den man sich selbstverständlich aussucht, sondern auch auf Menschen, denen ich normalerweise in meinem selbst ausgesuchten, selbst bestimmten Leben nicht begegnen würde), sind durchschnittlich »normal«. Was in diesem konkreten Fall bedeutet, dass sie entweder so gut Deutsch sprechen, dass ich niemals an ihrer Sprache erkannt hätte, dass sie in den Statistiken unter die »Migrationshintergründler« fallen würden oder zumindest in ihrem eigenen Alltag in Deutschland mehr als gut zurechtkommen. Nein, sie bewältigen ihn nicht, was nach einer schwierigen, anstrengenden, gar kaum lösbaren Aufgabe klingt, sondern sie kommen zurecht, wunderbar, für sie ausreichend. Sie haben alle ihren eigenen Weg gefunden, mit dem Reichtum der sie prägenden Kulturen (zwei und manchmal sogar drei oder mehr) umzugehen, sie wissen, was diese für sie bedeuten, sie wissen um die eigene persönliche Entwicklung, die sie durch diese Erfahrungen gemacht haben. Sie müssen sich weder assimilieren, noch müssen sie vorgezeigt werden, weil sie einfach â und erfolgreich â ihr Leben in unser aller Deutschland leben. Weshalb sie sich â und ich mir â Fragen, die man üblicherweise Vorzeigeausländern stellt, niemals stellen würden. Fragen wie: »Wie haben Sie denn so gut Deutsch gelernt?«, eine Frage, die impliziert, dass man ein Ding der Unmöglichkeit bewältigt hat,
dass man ein Held ist. Ich bin aber kein Held. Ich habe einfach Deutsch gelernt, als ich nach Deutschland kam, und spreche und schreibe diese Sprache nun schon seit so vielen Jahren, dass ich mir die Frage nach dem Lernprozess nicht stelle, weil dieses Können für mich so selbstverständlich ist. Für die, die mir diese Fragen stellen, offensichtlich nicht. Ebenso wenig
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