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"Sie koennen aber gut Deutsch!"

"Sie koennen aber gut Deutsch!"

Titel: "Sie koennen aber gut Deutsch!" Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Gorelik
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Youngsters – ermöglicht
Hausbesuche bei so genannten bildungsfernen Eltern von Kindern im Vorschulalter. Sie bekommen zuhause anhand konkreter Materialien wie Geschichtenbüchern und geometrischen Formen 15-minütige Übungen gezeigt, mit denen sie ihre Kinder fördern können. So wird nicht nur den Kindern ein einfacherer Schulstart ermöglicht, sondern werden auch deren Eltern von Anfang an in ihre Bildungskarriere mit einbezogen, ohne sie damit zu überfordern. Projekte wie dieses gibt es in Deutschland zuhauf. Sie werden in den meisten Fällen von Kirchen, Stiftungen, Vereinen und anderen Einrichtungen finanziert, selten vom Staat. Dies wäre aber das Mindeste, was ein Staat tun kann, der von solchen Einrichtungen, von all seinen Bürgern fordert, sich für mehr Verständnis zwischen den Menschen einzusetzen.
    Es geht nicht darum, dass die Integrations- oder Migrationspolitik der vergangenen Jahre und Jahrzehnte versagt hätte. Etwas, das kaum existiert, kann nicht versagen. Es geht darum, jetzt etwas zu tun, konkrete Gesetze und Regelungen durchzusetzen, damit der Rest der Gesellschaft wiederum seinen Teil zu Lösungen beitragen kann. Zum Beispiel das Problem der mangelnden Deutschkenntnisse bei nachgezogenen Ehepartnern anzugehen anstatt sich wortreich und möglichst zitierfähig zu schwammigen Allgemeinängsten wie der vor »einer Islamisierung Deutschlands« zu äußern.
    Es geht darum, eine Integrationspolitik aufzubauen.

»Ich kenne da einen Ausländer, der …«
Die Rolle der Vorzeigeausländer
    Manchmal bin ich ein Tier im Migrantenzoo. Ich bin es ungern, niemals freiwillig, aber welches Tier ist schon freiwillig im Zoo? Tiere leben aus einem Grund in Käfigen und Gehegen im Zoo: Weil wir Menschen meinen, ein Anrecht darauf zu haben, unseren Kindern Tiere, die sie sonst nicht in der Natur zu Gesicht bekämen, außerhalb von Bilderbüchern zeigen zu müssen. Manchmal, wenn wir keine Lust auf den Zoo haben, gehen wir mit unserem Nachwuchs in den Zirkus, weil es noch spannender ist zu sehen, wie wilde Tiere in Zirkusmanegen antreten, auf und ab marschieren, auf Kommando »Sitz« machen und ähnlich »sinnvolle« Kunststücke vorführen.
    Und genauso dürfen manchmal auch Migranten im Migrantenzirkus auftreten. Sie dürfen dann Kunststücke vorführen wie: »Ich kann akzentfrei Deutsch sprechen« oder »Ich bin Migrant und kann Goethe zitieren.« Sie dürfen dann auf Kommando Sätze sagen wie »Aber natürlich ist Deutschland mein Zuhause!« und »Ich bin dankbar, dass ich hier leben darf«, und wenn sie es besonders gut machen, geben sie diese Sätze in einem regionalen Dialekt von sich, und dann freut man sich, dass man den Türken so gut dressiert hat, dass er sich in breitestem Fränkisch zu seiner Heimat, nämlich Oberfranken, bekennt, diese sowie seine Bewohner in den Himmel lobt und sogar weniger »Integrationswillige« kritisiert, weil sie mit einem Fuß noch in Anatolien leben und es tatsächlich wagen, ihre alte Religion beizubehalten. Und am Ende setzen sie sich brav wieder auf ihren Stuhl, weil sie ja nicht zwischen
zwei Stühlen sitzen. Applaus, Applaus! Applaus ist bei solchen Kunststücken garantiert!
    Bin ich zynisch angesichts dieses Vergleichs? Anstatt mich darüber zu freuen, dass es (auch!) Menschen aus Anatolien gibt, die sich so toll, so brav (ach schon wieder bin ich zynisch!) integrieren? Aber ich freue mich ja. Ich mag nur den Migrantenzirkus, auch den Migrantenzoo nicht. Ich mag nicht für meine Sprachkenntnisse bewundert werden, nicht dafür, dass ich Goethe und Hesse gelesen habe, nicht dafür, dass ich die Bundesligavereine kenne. Ich mag diese Art der Bewunderung deshalb nicht, weil ich sie nicht in dem Maße verdiene, wie ich sie manchmal bekomme, wenn ich zum Beispiel irgendwo – wortwörtlich – als »Beispiel für eine gelungene Integration« vorgestellt werde. Ich verdiene sie deshalb nicht, weil diese Sprachkenntnisse und dieses Wissen über die deutsche Kultur so herausragend nicht sind, weil ich eines von vielen »Beispielen für eine gelungene Integration« bin. (Obwohl sie, ebenso wie ich, wahrscheinlich nicht als Beispiel herhalten wollen.)
    Â»Sie sprechen aber gut Deutsch!« Wie oft habe ich diesen Satz gehört, mit Überraschung und Staunen in der Stimme, danach folgte meist

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