"Sie koennen aber gut Deutsch!"
musst runterkommen. Jetzt sofort. Sie redet permanent auf mich ein, und ich verstehe nicht, was sie von mir will!« Ich musste lachen, ich fand das süÃ, und ich sagte mir, welt- und vor allem deutschlandgewandt wie ich inzwischen war: Das ist die Bundesrepublik Deutschland. Das ist mein Land.
Wir leben in einem Land, das von seinen historisch bedingten regionalen Unterschieden geprägt ist wie kaum ein anderes. Seien diese nun dialektaler, kultureller, traditioneller, politischer, geschichtlicher, religiöser oder sogar kulinarischer Natur: Im Norden liebt man Grünkohl, im Süden Spätzle. Die Münchner nehmen sich für die Wiesn frei, die Kölner fiebern dem Karneval entgegen. Die Amerikaner â in ihrer groÃen Mehrheit zumindest â hissen am 4. Juli ihre Flaggen und werfen ihr Fleisch auf den Grill, die Franzosen â in ihrer groÃen Mehrheit zumindest â freuen sich auf den bal populaire am 14. Juli, und die Deutschen? Wie viele der 80 Millionen Einwohner wissen, welche Bedeutung der 3. Oktober für die gemeinsame Geschichte hat? Gibt es auch nur einen Brauch, den die Mehrheit der hier lebenden Menschen, wenn auch
nicht die groÃe, an diesem Tag pflegt? Und wenn nicht an diesem, dann an einem anderen? Isst man in Deutschland nun Labskaus, grüne SoÃe, Kässpätzle, Käsespätzle oder Kasspatzen? Warum müssen die Menschen in Sachsen-Anhalt arbeiten, während die Glückspilze in Bayern aufgrund eines nur dort gültigen gesetzlichen Feiertags frei haben? Wie sagt man denn nun zu Brötchen? Und sind die PreuÃen deutscher als die Westfalen?
Wir leben in einem Land, zu dem die Vielfalt per Historie dazugehört, in einem Land, das sich nicht zuletzt durch diese zahlreichen Unterschiede wirtschaftlich, kulturell und sozial zu dem entwickelt hat, was es ist. Ein Sven aus Dänischenhagen mag mit einem Alois aus Bayrischzell ebenso wenig zu tun oder gemein haben â all die Klischees, die mit diesen Vor- und Ortsnamen einhergehen, für einen Augenblick übernommen  â wie mit einer Doreen aus Meuselwitz, aber alle drei gehören zweifelsfrei zu diesem Land. Sie müssen einander nicht mögen, sie müssen auch kein Verständnis füreinander haben, ihre Zugehörigkeit zweifelt aber niemand an.
Selbiges gilt nicht nur für regional bedingte Unterschiede, sondern â wie in jedem anderen Land â auch für Menschen aus unterschiedlichen Generationen, unterschiedlichen Milieus, unterschiedlichen Vereinen sogar. Nehmen wir kurz mal an und bleiben wir dabei, dass Klischees nur für den Augenblick dieser Annahme in Ordnung sind: Prof. Dr. h.c. Arthur Schmid, benannt nach Arthur Schopenhauer, den sein Vater sehr verehrte, sitzt im selben Zug wie Uschi Müller aus Günstedt, die so heiÃt, weil ihre Mutter gerne Unterhaltungsserien im Fernsehen schaut, in denen Uschi Glas mitspielt. Nehmen wir mal an, auch wenn das eher unrealistisch ist, die beiden sitzen sich tatsächlich gegenüber, weil sie dieselbe (Preis-)Klasse gebucht haben. (Nehmen wir, damit es
realistischer wird, an, Frau Müller hat heute ausnahmsweise nicht den Regionalexpress genommen, während Herr Prof. Dr. h.c. Schmid nicht wie sonst erster Klasse fahren konnte, weil diese ausgebucht war, und ja, auch diese Klischees lassen wir für den Augenblick einfach so stehen.) Was haben sich die beiden zu sagen? Er, der gerade von einer internationalen Konferenz an der Sorbonne kommt und die Fahnen seiner neuen Monographie Korrektur lesen muss, und seine Sitznachbarin, die ihren Zweitgeborenen Kevin zu dessen Erzeuger bringt und hofft, dass der Ex sie am Bahnhof abholen und Windeln besorgt haben wird, so dass sie pünktlich wieder nachhause kommt, um ihre Lieblings-TV-Gerichtsshow (nur dass Uschi Müller nicht ahnt, dass es sich in dieser um Laiendarsteller handelt und nicht um »wahre Fälle«) ja nicht zu verpassen? Oder was verbindet den Berliner Hausbesetzer mit Punkfrisur und Sperrmüll-Fahrrad, der die Grünen für konservativ hält, und den Oberarzt, der sich endlich seinen Porsche geleistet hat, für den er seit seinem Studium gearbeitet hat?
Nichts, so scheint es auf den ersten Blick. Aber: Sie sind Deutschland, um einmal eine gut gemeinte, aber wenig gelungene Kampagne zu zitieren. Und das Schöne ist: Das sprechen sie sich trotz der Unterschiede, trotz des wechselseitigen Gefühls,
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