Sie kommen!: Ein Blog vom Ende der Welt (German Edition)
eine weitere unangenehme Aussprache mit der Gruppe zur Folge haben. Ich werde nicht umkehren. Werd ich nicht.
Ich weiß nicht, ob sie ahnen, wo ich hingehe. Es würde nichts ändern. Niemand weiß, wie man dorthin kommt. Ich überquere das, was mal die Wingra Street gewesen sein muss, und wende mich nach Süden in Richtung Erin Street. Fürs Erste muss ich raten, denn die meisten signifikanten Gebäude des Viertels sind ausgebrannt. Die meisten Reihen- und Hochhäuser bestehen nur noch aus verkohlten, leeren Gerippen, die aus zerbrochenen Fenstern auf die verlassenen Straßen herunterstarren und über zerschmetterte Briefkästen und Autowracks wachen.
Die Straßen sind still, bis ich zur Orchard Street komme, wo mir auf der rechten Seite eine Gruppe Stöhner entgegenkommt. Es sind drei an der Zahl und sie bewegen sich in diesen unkoordinierten Krämpfen mit verzweifelter Geschwindigkeit, die mir verrät, dass sie am Verhungern sind. Glücklicherweise bedeutet das auch, dass sie schwach und unbeholfen und zu abgelenkt von ihrem Hungertrieb sein dürften, um eine wirkliche Bedrohung zu sein. Und es stört mich nicht. Nicht mehr. Ich kann mir mühelos vorstellen, was ein Psychologe dazu sagen würde. Ich empfinde nur noch einen schwachen Hauch von Abscheu, wenn ich mir einen verwesenden Menschen ansehe, eine Person, die auf rohes Fleisch, offene Eingeweide und Knochen reduziert ist.
Glücklicherweise hat Dapper einen unbekannten Anteil deutscher Schäferhund in sich. Das macht ihn empfänglich für Befehle. Ich habe ihm beigebracht, zu sitzen und seinen Platz nicht zu verlassen, und das tut er. Als ich die Axt hochnehme, um mich den drei Stöhnern zu widmen, wedelt er vor Begeisterung und Frustration heftig mit der Rute. Er will helfen, mich verteidigen, aber wenn er auch nur an einem von ihnen leckt, habe ich einen guten Hund und treuen Kameraden weniger.
Anschließend bin ich völlig außer Atem, die Axt hängt zitternd in meiner rechten Hand. Ohne Schlaf und ausreichende Nahrung bin ich gegen die Untoten ziemlich unbrauchbar. Es schmerzt in den Lungen, sobald ich tief durchatme, und der Schmerz macht meine Arme schwach. Ich verspreche, mich besser zu behandeln, mehr zu essen und zu trainieren und die Kraft wiederzugewinnen, die ich verloren habe. Es gibt keinen Spielraum mehr für Fehler. Niemanden, der für mich einspringt, wenn ich stolpere oder zögere.
Ich lege eine Pause ein, knie mich neben einen der Stöhner und reinige sorgfältig die Axt an seiner zerrissenen Windjacke. Ich mache mir Sorgen, dass Dapper daran lecken will und sich die Krankheit holt.
Es kostet uns eine weitere halbe Stunde, bis wir die Lowell Street erreichen. Jedes Mal, wenn wir einen wandernden Untoten treffen, wird es schwerer, die Axt zu schwingen. Vielleicht hätte ich warten sollen, bis ich wieder geheilt und stärker bin, bevor ich alleine losgezogen bin. Wer hält Wache, wenn ich schlafe? Dapper? Plötzlich wird mein edles Märtyrertum deutlich glanzloser und erinnert an ein langsames, schleichendes Sterben.
Auf der Lowell Street herrscht Ruhe, was gleichzeitig ermutigend und ein bisschen alarmierend ist. Kein normaler Mensch in Sicht, keine umherstreunenden Hunde, nichts, was anzeigt, dass das Leben hier überdauert hat. Ich bin nicht daran gewöhnt, das Viertel so zu sehen – still, reglos, erfüllt nur vom Wind und dem unheimlichen Gefühl, dass die Zeit vergeht und niemand es wahrnimmt. Eine solche Stimmung habe ich schon ein paarmal erlebt. Wenn die St.-Patrick’s-Day-Parade oder die Easter-Hat-Parade anstand, leerten sich die Häuser früh am Morgen, und bis Mittag kam keiner zurück. Allerdings gab es immer die Gewissheit einer Rückkehr, war immer klar, dass bald die Nachbarn den Weg hochkommen würden, müde oder sonnenverbrannt, aber zufrieden.
Wie in allen anderen Vierteln, durch die wir uns gekämpft haben, gibt es Anzeichen hastigen Rückzugs. Haustüren stehen offen, Fenster sind zerbrochen und nicht ersetzt, Allradwagen und Limousinen parken in den Gärten, wo eine Flucht gescheitert ist oder die Insassen zu Fuß weitergelaufen sind. Das hohe Gras kitzelt die Stoßstangen der Allradwagen, breitet sich aus, als wollte es die Autos verschlucken oder sie in ein zerstörtes Monument vergangener Zeiten verwandeln.
Der Wohnsitz der Hewitts liegt auf halben Wege den Block runter, auf der rechten Seite. Kein großes Haus, aber ich habe es immer geliebt, gerade groß genug, um sich nicht eingeengt, und behaglich
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