Sie kommen!: Ein Blog vom Ende der Welt (German Edition)
genug, um sich vertraut, geliebt und heimisch zu fühlen, wie ein gemütliches Paar verfilzter alter Puschen. Es sind keine Stöhner da und keine Dümpler, nur der Klang des voranschreitenden Morgens und ein paar Vögel, die die Sonne grüßen. Sie winkt kurz der Stadt zu und verschwindet dann hinter einem Wolkenband. Unser Haus ist ein alter zweistöckiger Ziegelbau mit einem steilen Dach und einer Veranda mit weißem Holzgeländer. Wir hatten immer den Plan, sie zu verglasen, damit die Mücken im Sommer draußen bleiben. Wir sprachen davon, uns den New Yorker zu besorgen und ein paar Mint Juleps und uns dann in den schwülen Julinächten gegenseitig vorzulesen, wenn man nichts zu tun hat, als sich in der feuchten, schwindelerregenden Hitze zu aalen.
Immer noch hängt eine Fahne vor unserem Haus. Eine große, weiße Flagge mit grünem Peace-Zeichen. Meine Mutter war immer ein ernsthafter Hippie, und ich konnte sie nie davon überzeugen, sich von dieser blöden Fahne zu trennen. Wie sie da flattert und eine Botschaft des Friedens ausposaunt, die überhaupt nichts mehr bedeutet, wirkt sie vulgär.
Das Auto ist weg, die Garagentür zu. Ich werte das als gutes Zeichen. Ich halte Ausschau nach allen Arten von Hinweisen, die mir verraten könnten, wo sie ist. Ob sie wiederkommt oder nicht. Und wie alle Handleser und selbsternannten Mystiker tappe ich völlig im Dunkeln. Doch es ist mir bitter ernst, und es scheint, als ob ich damit auch gar nicht aufhören kann. Der Briefkasten ist leer, die meisten Fenster sind immer noch intakt. Als ich auf die Veranda trete, entdecke ich braune Flecken auf dem Holzboden, aber das muss nicht zwingend bedeuten, dass etwas Schlimmes passiert ist. Das kann alles gewesen sein. Alles.
Mit bleibt nichts anderes übrig, als die Tür einzutreten. Dabei muss ich lächeln. Was für ein süßer Spleen von dir, Mom, sorgfältig die Tür abzuschließen, wenn die Welt untergeht. Drinnen müffelt es, ein menschlicher Muffgeruch, den ich wiedererkenne. Irgendwo steht verdorbenes Essen, und auf dem dreckigen Geschirr in der Spüle hat sich eine aufregende neue Schimmelkolonie gebildet. Kleine unbekannte Welten haben sich im ganzen Haus gebildet – Spinnweben, Schimmel, eine Blätterspur, die zu einem zerbrochenen Fenster führt … Aber kein Hinweis auf meine Mutter, nur eine Ahnung, dass hier in Eile aufgebrochen wurde.
»Mom?«, rufe ich vorsichtig, nicht zu laut, um nicht zu viel Aufmerksamkeit zu erregen. »Mom, bist du da? Hier ist Allison.«
An der Wand im Vorraum steht eine Reihe von Schuhen, doch die Schuhe für die Gartenarbeit fehlen. Unsere identischen zwei Paare Flip-Flops sind noch da und erinnern mich wieder daran, wie wir den Sommer genossen, ihn uns zu eigen gemacht und jeden letzten faulen warmen Tag herausgepresst haben.
Jetzt rieche ich vergammelte Milch, obwohl die Kühlschranktür geschlossen ist, doch der Verfall breitet sich überall aus. Die Spinnen haben die Küche in Beschlag genommen, in jeder Ecke Netze konstruiert, ihre Heime vom Wasserhahn zum Schrankknauf gespannt, vom Kochbuch zur Obstschale. Ich entdecke zwei schwarze, eingeschrumpfte Äpfel in der Schale und daneben eine gefaltete Karte.
Denken Sie auch im nächsten Jahr wieder an uns! Der ländliche Familienobstgarten!
Durch ein Loch an der Oberkante der in Gold und Rot gehaltenen Karte ist ein zartes kleines Bändchen gezogen. Ich nehme die Karte, wische einen dünnen Film Staub ab und stecke sie in meine Gesäßtasche. Dapper schnüffelt geschäftig an jeder möglichen Nahrungsquelle. Ich behalte ihn scharf im Auge, weil ich befürchte, dass er plötzlich zu dem Schluss kommen könnte, ein völlig vergammeltes Stück Obst sei doch noch essbar. Seine Hundeneugier bringt nicht unbedingt einen ausgeprägten Sinn für Bekömmlichkeit mit sich.
Ich untersuche das Wohnzimmer, die Frühstücksecke, die hintere Veranda. Auch oben ist alles leer, der Wäscheschrank meiner Mutter steht offen, und eine Spur von Socken und Unterwäsche führt zum Bett. In der Matratze befindet sich eine quadratische Mulde, vielleicht stand dort ein Koffer. Meine Mutter muss aufgebrochen sein, denke ich, sie hat wirklich versucht, zu den Apartments zu kommen. Ich berühre die Matratze und verdränge eine Übelkeit erregende Welle von Enttäuschung darüber, dass sie das Haus zwar verlassen, aber den Buchladen oder die Arena nie erreicht hat. Es gibt eine noch schlimmere, dritte Möglichkeit: dass sie zur Arena gelangte, nachdem die
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