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Sie kommen!: Ein Blog vom Ende der Welt (German Edition)

Sie kommen!: Ein Blog vom Ende der Welt (German Edition)

Titel: Sie kommen!: Ein Blog vom Ende der Welt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Madeleine Roux
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Glück! Ich weiß zwar nicht recht, ob ich mit deiner Entscheidung einverstanden bin, aber falls du es bis zur Küste schaffst und ein Boot auftreibst – wir haben hier eine schöne, warme, trockene, weiträumige und völlig lydiafreie Höhle auf der anderen Seite des Atlantiks. Dasselbe gilt übrigens für alle anderen, die in der Nähe sind. Wir senden ein Funksignal aus, und die Kundschafter sagen, es reicht die ganze Küste entlang.
    Allison:
    29. Oktober 2009 16:46 Uhr
    Das ist sehr verlockend! Du bist der dritte Überlebende, der anregt, es mit einem Boot zu versuchen, aber ich bin kein Seemann. Außerdem hängen wir hier leider tief im Binnenland fest. Vielleicht führt dein Posting ja irgendwelche Hilfe herbei. Die Leute scheinen zu wissen, was auf dem Spiel steht.

30. O KTOBER 2009 – H ÄUSLICHKEIT
    Vielleicht bin ich ja egoistisch oder rücksichtslos oder beides, aber ehrlich gesagt, damit kann ich leben.
    Ted und Renny schlafen fest, als ich aufstehe. Dapper ebenfalls, aber er erhebt keine Einwände, als ich ihn wachrüttele, um mich zu begleiten. Es ist noch früh, nur ein paar Stunden nach dem Zubettgehen, und ich habe nicht viel geschlafen. Und dabei wie immer meine Sachen anbehalten. Es gibt nicht viel mitzunehmen, und es scheint mir nicht recht, mich aus den Vorräten zu versorgen. Also nehme ich nur meine Axt, meine Laptoptasche und ein paar Müsliriegel mit. Ich finde schon noch Vorräte zum Plündern und Klauen. Die anderen hier werden ohne mich nicht viel schlechter dastehen. Sie haben ja Captain Kommando und Ned »Trifft-auf-dreißig-Meter-einen-gespaltenen-Zahnstocher« Stockton. Ich hingegen bin verletzt und eine lausige Schützin.
    Ich dehne mich und mache ein paar vorsichtige Hampelmann-Hüpfer auf dem knirschenden, frostigen Boden. Ich habe mich an das Gefühl ständiger Unterkühlung gewöhnt, an das Leben mit dem permanenten Hungergefühl im verkrampften Magen. Ich führe das Leben so ziemlich jeder Dickens-Figur, die mir einfällt. Dapper sitzt da und kratzt sich am Ohr, ungestört von meiner Morgengymnastik und völlig ahnungslos, dass er bald keine Häppchen mehr aus Evans kleiner Hand bekommen oder Teds Hände ablecken wird, nachdem der eine Tüte Käsecracker verspeist hat.
    Ich gebe mir Mühe, nicht an diese Dinge zu denken, und versuche zu vergessen, dass es keinen Ted, keinen Collin und keine Wadenbeißer mehr geben wird, sobald ich den Hügel hinunter und ein, zwei Häuser weiter bin. Ich kann Ted nicht sagen, dass ich abhaue. Er weiß von Liberty Village, und er würde versuchen, mir zu folgen. Das darf ich nicht zulassen. Es ist traurig, sicher, aber Traurigkeit und Hunger lassen sich so früh an diesem Morgen schwer vertreiben. Das steife Gras knirscht laut, als ich nach einem letzten tiefen Luftholen den Hügel hinunterwandere. Dem Sonnenaufgang nach zu schließen müsste ich ungefähr Richtung Osten marschieren. An diesem Morgen gibt es keine Zebras im Morgendunst, keine Löwen oder Giraffen und keine Menschen, die mich aufhalten.
    Bevor ich mich nach Colorado aufmache, muss ich sicher sein, ganz sicher, dass meine Mom wirklich weg ist. Es fühlt sich nicht richtig an, sich auf die Reise zu begeben, bevor ich mein Zuhause überprüft habe. Sie könnte immer noch da sein und auf mich warten.
    Ich habe die Handtasche meiner Mutter schon lange verloren. Sie wurde in den Feuern der Arena vernichtet, aber das spielt keine Rolle. Ich kenne die Notiz auswendig und werde sie nie vergessen.
    Da erschallt ein Zick-krach in der Ferne, Finns Scharfschützengewehr. Ich weiß, dass er es ist, denn er liebt diese Knarre, und Collin verwendet gewöhnlich ein Sturmgewehr, das eher wie rat-ki-tat klingt. Finn muss irgendwann heute Nacht Collin bei der Wache abgelöst haben. Ich lege einen Schritt zu und haste in Richtung einer Baumgruppe am Fuß des Hügels. Sollte Finn mich für einen Untoten halten, wird mein kleines Abenteuer von sehr kurzer Dauer sein. Ich schaffe es zu den Bäumen, mein Herz wummert, die Lungen platzen fast vom Schmerz meiner geprellten Rippen. Hoffentlich bin ich nicht ernstlich verletzt und die Prellung oder der Bruch verheilen von selbst und ich verblute nicht still und leise innerlich an irgendeiner schrecklichen Wunde.
    Dapper bleibt dicht bei mir. Seine Nase klebt mehr oder weniger an meiner Kniekehle, während ich langsamer werde und auf die Straße zugehe. Tatsächlich habe ich eine Strecke zwischen mich und das Lager gebracht, und jetzt umzudrehen würde

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