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Sie kommen!: Ein Blog vom Ende der Welt (German Edition)

Sie kommen!: Ein Blog vom Ende der Welt (German Edition)

Titel: Sie kommen!: Ein Blog vom Ende der Welt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Madeleine Roux
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beantworten: Nein, die dritte Möglichkeit – nämlich untot zu sein – überzeugt mich nicht davon, dass Himmel und Hölle Wirklichkeit sind. Wenn überhaupt, überzeugt es mich davon, dass es sie nicht gibt.«
    »Und wenn sie doch existieren?«, fragt er.
    »Tun sie nicht.«
    »Komm schon, sei nachsichtig mit mir.«
    »Also, wenn sie existieren, hoffe ich, dass der Himmel eine Reise ist. Ich hoffe, er ist du und ich und Renny und Ted mit nichts als Zeit zu unserer Verfügung. Und ich hoffe, er überbrückt die unmessbare Distanz zu deinen engsten Freunden.«
    Julian zieht seine Hand und den Baumwolltupfer von meiner Stirn weg. Unter der Sonne spiegelt sich mein Gesicht in seinen leuchtend blaugrünen Augen. Seine Schläfen treten hervor und umarmen sein plötzliches Lächeln. Seiner Kehle entweicht ein kleiner Laut der Verwirrung oder vielleicht auch der Freude, und er drückt den Baumwolltupfer an meine Stirn. Für einen Moment fühlt es sich kühl an, dann beginnt es zu stechen.
    »Über die Hölle brauche ich nicht nachzudenken«, schließe ich. »Ich weiß schon, wie sie ist.«
    Renny kommt mit gefüllten Armen aus dem Verbrauchermarkt und stellt die Tüten neben uns auf den Bordstein. »Erster Gang. Da ist noch so viel Scheiß im Hinterzimmer, wir sind für den Rest der Reise versorgt.«
    »Schön, lass dir Zeit«, sage ich.
    Renny geht wieder rein und summt dabei vor sich hin.
    »Du siehst müde aus«, sagt Julian.
    »Ja, ich habe nicht gut geschlafen. Ich konnte noch nie gut im Auto schlafen.«
    »Wir könnten ein oder zwei Häuser durchstöbern«, schlägt er vor, »und nach ein paar Schlaftabletten suchen.«
    »Nein«, entgegne ich schnell, denke an die Arena und den Wodka und den furchteinflößenden großen König von Ithaka, der mir sagt, ich solle meinem Herzen nach Hause folgen. Es schüttelt mich.
    »Was von Bedeutung?«
    »Ich habe solchen Medikamenten abgeschworen«, antworte ich. »Das letzte Mal, dass ich etwas genommen habe, das stärker als Tylenol war, bin ich halluzinierend am Strand von Troja gelandet, und Odysseus war mein geistiger Führer. Der Kerl ist hardcore.«
    Er lacht schallend, bis er merkt, dass ich es ernst meine, und stellt dann fest: »Schön, das ist ein hervorragender geistiger Führer. Meiner wäre wahrscheinlich ein Elch.«
    »Oder Diana Ross.«
    Renny kommt wieder, eine weitere Ladung vollgepackter Tüten in den Armen. Ich erhebe mich vom Kantstein und nehme ihr eine ab, um sie zu entlasten. Sie deutet auf die Tüte.
    »Guck mal rein, ist ’ne Überraschung drin.«
    Ich linse in die Tüte und erspähe sogleich ein Stück metallisches Grau.
    »Eine neue Axt!«, sage ich strahlend. Für mich die beste Neuigkeit des Tages.
    »Hab sie ganz hinten gefunden. Ich kann echt kaum glauben, in wie vielen Läden immer noch solche Dinger auf Halde liegen. Ich meine, das ist doch ein ernst zu nehmendes Sicherheitsrisiko«, kommentiert sie.
    »Danke dafür«, sage ich. Ich prüfe den Stiel der Axt. Sie ist schwerer als meine erste, und das Blatt könnte einen Schliff vertragen … Ach, man vergisst seine erste nie. »Ohne habe ich mich richtig nackt gefühlt.«
    »Hey!«
    Gleichzeitig wenden wir drei uns der Limousine zu. Ein Mopp wirrer schwarzer Haare taucht auf, und ein Paar verstörter brauner Augen starrt uns an, die gesprungene Brille zur Seite gestülpt. »Gott sei Dank, ich dachte schon, ihr habt mich auf einem Parkplatz zurückgelassen.«
    »Wie kannst du das denken?«, rufe ich. Ich renne zum Wagen, wo Ted aufrecht auf der Rückbank sitzt, immer noch bleich, aber wach und lächelnd. »Wir würden doch nie Dapper zurücklassen.«
    »Arschloch.«
    »Schön, dass du wieder da bist«, sage ich und täusche vor, ihn auf die gesunde Schulter zu boxen. Renny und Julian schließen auf, halten eine geöffnete Wasserflasche für Ted bereit.
    »Willkommen zurück«, sagt Renny. »Das ist Julian, er ist Arzt.«
    »Dann bist du der, dem ich danken sollte?«, fragt Ted und blinzelt Julian an.
    »Ja und nein«, antwortet der und streicht sich mit der Hand über sein zottiges Haar. »Es war eine gemeinsame Anstrengung. Wie fühlst du dich?«
    »Wund … und ziemlich groggy, aber ich kann meine Hand bewegen, das ist gut, nicht?«
    »Dank Renny haben wir jede Menge zu mampfen für die Reise«, sage ich. »Und Julian wird deine Verbände wechseln, bevor wir losfahren.«
    »Ist da auch etwas Beef Jerky für mich drin?« Renny verlädt bereits die Einkaufstüten und stellt sie neben Ted auf die

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