Sie kommen!: Ein Blog vom Ende der Welt (German Edition)
grotesker Poesie, die Ungeheuer mit Ungeheuern zu füttern.
Natürlich kommt es zu unvorhergesehenen Komplikationen. Ich bin nun ohne Fahrzeug, und der andere Wagen trifft jeden Moment ein. Ich schleiche zur rechten Seite des Parkplatzes, ducke mich hinter verlassenen Autos und verberge mich. Die Untoten im Kino verrichten schnelle Arbeit an der Landwehr und strömen bald aus der Lobby – eine unendliche Kette verhungerter, verzweifelter Zombies, die genau auf mich zusteuern.
Eine Zeit lang kann ich sie auf Distanz halten, weil ich schneller bin, aber meine Brust beginnt ernsthaft zu schmerzen. Außerdem muss ich mir einen Knöchel verstaucht haben, denn er fühlt sich verdreht an, voller Nadeln und Nägel. Verwirrt denke ich, dass die Waffe in meinem Hosenbund ja nur noch zwei Schuss enthält. Sie wird mir also keine Hilfe sein, um den Ansturm der Untoten aufzuhalten, die höchstens noch zehn Meter hinter mir sind. Aber ich weiß, dass mein Manöver gereicht hat, um Renny, Ted, Julian und den anderen genügend Zeit zu verschaffen, sich davonzumachen. Selbst wenn ich es nicht zurück zum Lager schaffe, haben die anderen nun eine Chance zu kämpfen.
Endlich erscheint der dritte Jeep auf der Szene, rollt auf den Parkplatz, wird langsamer. Wahrscheinlich entdecken sie die Verwüstung in der Lobby und die bemerkenswert gerade ausgerichtete Linie von Untoten, die sich direkt auf sie zuschieben.
Sie schießen auf die Untoten, ziehen deren Aufmerksamkeit auf sich, was ein wenig den Druck von mir nimmt. Allerdings lassen sich die Zombies ganz in meiner Nähe, die mir wie Hunde folgen – zielgerichtet, ungehindert von menschlicher Erschöpfung oder Schmerz –, davon nicht aufhalten. Atme, befehle ich mir, atme tief …
Mein Knöchel bremst mich, führt zu üblem Humpeln. Ich habe es gerade mal halb über den Parkplatz geschafft. Wie lange halte ich das noch durch? Wie lange, ehe ich stolpere oder zusammenbreche oder in den nächsten Haufen Landwehrmachos stolpere, die mit Gewehren nach ihren Freunden suchen?
Ein Stück weit vor mir sehe ich die Parallelstraße mit ihren dekorativen Bäumen auf dem Betonstreifen in der Mitte. Dort bin ich in offenem Gelände und ein leichtes Ziel. Aber wo soll ich sonst hin? Keuchend und prustend wie ein Marathonläufer erreiche ich die Straße, ziehe meinen Knöchel nach und beiße mir auf die Lippen, um den Strom von Kraftausdrücken zu unterbinden, die ich herausschreien möchte. Von weiter vorne dringt ein Klang wie von einer sterbenden Maschine, die alles gibt, um am Leben zu bleiben, an mein Ohr.
Ich beschirme meine Augen, um etwas zu erkennen, und sehe, wie sie näher kommt, wage aber nicht, langsamer zu werden. Ich kann die Untoten hören. Sie sind nah, so nah … Ich nehme meine Pistole und schieße, aber es klickt nur, leer. Natürlich, da war ja was.
Eine Hupe dröhnt, ich hechte zur Seite und sehe gerade noch, wie Renny an mir vorbeischrammt und die Untoten niedermäht, die mir folgen. Sie ist total konzentriert, schreit dem Mann neben ihr etwas zu. Die Tür öffnet sich mit einem mahnenden automatischen Warnton, ding-ding-ding, und Julian greift mir mit seinem gesunden Arm um die Taille und zieht mich hinein. Bevor ich Luft holen und mich umsehen kann, zerrt er die Tür wieder zu. Renny tritt das Gaspedal bis zum Anschlag durch, und wir lassen das Filmtheater hinter uns zurück.
Ich kann fast nichts hören außer meinem angestrengten Atmen und dem stotternden Motor der Limousine. Jetzt erst bemerke ich, dass nicht nur mein Knöchel sich anfühlt, als würde er gleich abfallen, sondern auch mein Gesicht. Es ist nass, und zwar nicht von Tränen …
»Gott, sieh dich bloß an!«, sagt Julian. Ich versuche mich aufzusetzen und von seinem Schoß zu kriechen. Ted liegt immer noch auf der Rückbank, vor ihm auf dem Boden sitzt Dapper, und für mich ist nirgendwo Platz. Ted sieht friedlich aus … still … betäubt … Julian nimmt seinen Ärmel und wischt mir im Gesicht herum. Es sticht.
»Ich hab den Jeep ins Kino gefahren«, sage ich.
Julian zieht etwas aus meinem Haaransatz. Es fühlt sich an, als gleite eine glühend heiße Nadel aus meinem Skalp. »Scheiße, aua! Was soll das?« Ein spitzes Stück blutigen Glases erscheint in seiner Hand.
»Kannst du atmen?«, fragt er mit gerunzelter Stirn.
»Irgendwie«, murmle ich und kämpfe wieder um meine Sitzposition. »Kann ich mich aufrichten?«
»Ja, aber sei vorsichtig.«
Julian hatte recht. (Unter gar keinen
Weitere Kostenlose Bücher