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Sie kommen!: Ein Blog vom Ende der Welt (German Edition)

Sie kommen!: Ein Blog vom Ende der Welt (German Edition)

Titel: Sie kommen!: Ein Blog vom Ende der Welt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Madeleine Roux
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also im Radio gehört, ja?«, fragt er und lacht.
    »Er ist knapp eins achtzig, blond, grüne Augen, etwa achtzig Kilo«, wiederhole ich. »Das ist er, darum bin ich hier. Ich habe versucht, es Ihren Leuten zu erklären, aber sie hörten nicht zu.« Ich merke, wie mein Mund mir davonläuft, die Worte zu schnell herausprasseln.
    Er hebt abwehrend die Hand und dreht den Kopf weg. »Ich weiß davon.«
    »So? Das ist großartig, ich – warten Sie – Sie wissen es? Warum bin ich dann noch hier drin?«
    »Ich wollte Sie selber sehen«, sagt er. Seine Stimme klingt rauer als im Radio, aber immer noch beeindruckend, ein Opal, der mit Sandpapier geglättet wurde. Auch er hat einen Akzent wie der rothaarige Soldat, aber ausgeprägter. »Dieser Mistkerl war seit Wochen die Geißel unserer Versorgung. Wir waren kurz davor, eine Belohnung auszusetzen, als Sie und Ihr Freund aufgetaucht sind.«
    »Woher wussten Sie, wo Sie uns finden?«, frage ich und stelle demonstrativ meine schmerzenden Handgelenke zur Schau.
    »Tatsächlich wegen dem Hund.«
    »Dem Hund – Dapper? Also haben sie es geschafft! Gott sei Dank.« Die Erleichterung kommt plötzlich, und der Knoten in meinem Magen löst sich ein bisschen. Doch das Gesicht des Mannes bleibt gespannt, besorgt und in Falten.
    »Sie? Nein, da war nur der Hund, ganz allein. Wir dachten, er wäre vielleicht tollwütig. Er hat meinen Neffen gebissen. Ich glaube, den haben Sie schon kennengelernt. Wie auch immer, wir dachten uns jedenfalls, es sind schon seltsamere Dinge passiert, vielleicht ist der Hund aus einem bestimmten Grund so aufgeregt. Also hab ich eine Patrouille ausgeschickt, und die hat euch gefunden. Was ist mit Ihrem Hund passiert? Sein Schwanz war versengt, halb abgebrannt.«
    »Nein. Nein, nein, Gott verdammt , Janette.«
    Ich kann es mir ganz leicht vorstellen, und das tut weh.
    »Haben Sie jemanden erwartet?«, fragt er sanft. Nun zieht er ein schimmerndes Bowiemesser aus seinem Gürtel und schlitzt meine Plastikfesseln auf. Ich reibe meine wunden Handgelenke, wobei ich abwechselnd zusammenzucke und seufze. Ich bemühe mich, den Zettel zu verbergen, aber er hat einen Blick darauf erhascht. Als er versucht, danach zu greifen, ziehe ich meine Hand weg.
    »Meine Freunde. Sie wollten herkommen.«
    »Aus welcher Richtung?«, fragt er, plötzlich wieder ganz im Dienst.
    »Osten, also, hmm, wahrscheinlich durch Dayton.«
    Er steht auf und entfernt sich ein paar Schritte. Das ist mehr als genug. Er braucht mir nicht zu sagen, dass Dayton gefährlich oder überrannt oder was auch immer ist. Ich bin sicher, das Nächste, was er sagt, wird mich treffen, und bereite mich darauf vor. Das ist etwas, das ich mittlerweile gelernt habe, wie Schuhe zubinden oder ein Sandwich machen.
    »Dayton. Nein, es tut mir sehr leid, Dayton ist nicht passierbar. Da sind so viele Autos. Die Polizei hat dort versucht, eine Barrikade zu errichten, das hat es noch schlimmer gemacht.«
    Janette muss in Panik geraten sein und den Cocktail geworfen haben. Armer Dapper.
    »Bin ich in Schwierigkeiten?«, frage ich und starre auf den Boden. Es hilft, sich auf die Löcher im Beton zu konzentrieren, auf die Rillen und Kratzer, auf einen Stuhl oder ein Schreibtischbein. Was ist, wenn ich auf ihre Familien treffe? Was, wenn ich der Unglücksbote sein muss?
    »Nein, nein, nichts dergleichen«, sagt er und lacht wieder. Es ist ein stürmisches, ausgelassenes, volles Lachen, das den kleinen Raum ausfüllt und seine Grenzen in Frage stellt. »Ich werde ein Wort mit meinem Neffen reden. Ich entschuldige mich für sein Benehmen. Er kann manchmal ein bisschen – übereifrig werden.«
    »Das hab ich gemerkt.«
    »Entschuldigung wegen der Handfesseln«, sagt er und reicht mir seine Hand. Ich nehme sie, ziehe mich daran hoch und stelle fest, dass ich am Verhungern und schwach bin. Er sieht, wie ich schwanke und torkele. »Wir besorgen Ihnen etwas zu essen und einen Platz zum Ausruhen.«
    »Und Ted, mein Kamerad?«
    »Er kann mitkommen. Wie soll ich Sie anreden?«
    »Allison. Mein Name ist Allison.«
    Ich bleibe an der Tür stehen. Meine bleischweren Füße schmerzen, und ich fühle jedes Ziehen und Reißen meiner Sehnen in Knöcheln und Handgelenken. Ich will einfach nur umfallen und tagelang schlafen. Collin hat Geduld mit mir, wirft einen festen Blick auf mich herab. Aus irgendeinem Grund kann ich diesen nicht erwidern. Ich will es nicht. Ich will nicht, dass er sieht, wie enttäuscht und wütend ich gerade bin. Das ist

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