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Sie kommen!: Ein Blog vom Ende der Welt (German Edition)

Sie kommen!: Ein Blog vom Ende der Welt (German Edition)

Titel: Sie kommen!: Ein Blog vom Ende der Welt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Madeleine Roux
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mit solchen Dingen. Man weiß nicht, wie fundamental Q-tips und Tampons dem eigenen Wohlbefinden förderlich sind, bis man ohne sie unterwegs ist. Die Erkenntnis, einfach aufwachen und mir die Ohren sauber machen zu können, kommt einer Erlösung gleich.
    Das Village ist grob in zwei Bereiche aufgeteilt: den der Gemahlinnen der Schwarzen Erde und den aller anderen. Ted und ich haben nicht lange gebraucht, um diese Teilung wahrzunehmen. Die Gemahlinnen haben die Neigung, ihre grundlegende Andersartigkeit deutlich zur Schau zu stellen. Das machen sie nicht mit alternativer Musik oder Tätowierungen, sondern ausschließlich mit ihrer Religion. Ted und ich sind nicht sicher, welcher Konfession sie angehören, aber es muss eine äußerst dogmatische sein. Jeden Morgen, pünktlich um neun, geht ein Klemmbrett mit Unterschriftenliste von Zelt zu Zelt. Zweck dieser Liste ist es, Namen für die folgende Gebetsstunde zu sammeln. Die Gemahlinnen der schwarzen Erde versammeln sich zu einem Kreis im Zentrum ihrer Zelte, halten sich an den Händen und beten. Jedem Namen auf der Liste wird ein Moment gewidmet, in dem für diese Seele oder um ihre sichere Reise gebeten wird.
    Die Gemahlinnen sind bis auf unsere Seite des Village vorgedrungen, hauptsächlich über die Kinderbetreuung. Es gibt eine Hand voll alleinstehender Mütter und Väter, die ihren Ehemann oder ihre Ehefrau, ihren Freund oder Partner im Chaos verloren haben und nun ein oder mehrere Kinder allein versorgen müssen. Ich finde es interessant, die stetigen Fortschritte der Gemahlinnen bei der Infiltration unserer Hälfte des Areals zu beobachten, indem sie beharrlich durch die Zeltlücken schlüpfen. Sie picken sich ihre Frauen und Männer heraus, die benommen dasitzen, mit glasigem Blick, getrübt von ebenso frischem wie grundsätzlichem Argwohn gegenüber der Welt.
    Collin hat mich heute herumgeführt, mich jenen Familien vorgestellt, die er am besten kennt, und ihnen erzählt, dass ich geholfen habe, den »verdammten Abschaum« loszuwerden. Er wirkt ehrerbietig und autoritär zugleich, keine ganz einfache Mischung, aber eine, mit der er sich auf Anhieb und mühelos bei jedem denkbaren Publikum beliebt macht. Zuerst gefiel mir das Vorgestelltwerden, aber dann wurde es schnell ermüdend und redundant. Ich bin keine Heldin, und es fühlt sich heuchlerisch an, ständig für einen jähzornigen Akt grausamer Rache gelobt zu werden. Also zwinge ich mich für jedes neue Gesicht zu einem Lächeln und schüttle die Hände und höre mir die Geschichten der Menschen an. Sie danken mir dafür, Zack losgeworden zu sein, und ich beuge scheu den Kopf und versuche, nicht an sein Gesicht im Todeskampf zu denken und an seine rohen, blutigen Stümpfe im toten Gras.
    Die Gemahlinnen suchen wir ganz zum Schluss auf. Ich frage, warum sie so viele sind, wo sie herkommen und warum sie allein sind. Unwillkürlich denke ich, wenn meine Mutter hier wäre, würde sie sich ganz bestimmt mit möglichst großem Abstand von diesen Frauen fernhalten.
    »Ich habe inzwischen den Eindruck, all dies hat irgendwo außerhalb der Stadt begonnen. Die Vorstädte gingen zuerst unter, weshalb die Stadt so schnell überrannt werden konnte«, erklärt Collin. Er geht nirgendwo ohne Schusswaffe hin, aber das scheint hier niemanden zu stören. Sie alle akzeptieren ihn als ihren Führer und Beschützer. Heute ist es eine Glock, die hinten in seiner Militärhose steckt. Collin grüßt jeden mit Namen.
    »Schwarze Erde hat es besonders schwer getroffen«, berichtet mir Collin. »Die Bewohner von einem Haus nach dem anderen begriffen, dass sie etwas tun mussten. Sie waren viele Familien mit vielen Kindern und beschlossen, alle Kinder zusammen in einem Lieferwagen zu verstauen und rauszubringen. Die Väter, alles begeisterte Jäger, wollten sich dem Ansturm entgegenstellen. Es hat nicht geklappt. Sie waren zahlenmäßig weit unterlegen, und die Männer gingen allesamt unter, ›kämpfend wie Engel des Herrn‹, wie ihre Frauen jedem erzählen.«
    »Und der Lieferwagen?«, frage ich, obwohl ich es schon weiß.
    »Sie kamen daran vorbei, als sie in die Stadt flohen. Er lag auf dem Dach in einem Graben. Leer.«
    Es überrascht mich nicht, wie ihre Geschichte gelaufen ist. Dies ist das Land des Jagens, des Fischens, das Land der Farmen und Harley Davidsons. Ich habe mich dieser Seite unseres Staates nie besonders verbunden gefühlt, aber ich kann nicht umhin, mit ihnen zu fühlen, wenn ich bedenke, mit welcher Verve sie

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