Sie kommen!: Ein Blog vom Ende der Welt (German Edition)
Aber ich nehme an, es könnte genauso gut ein Unfall gewesen sein, ein Fehler aus Unachtsamkeit. Ich greife nach Teds Hand, und er lässt mich gewähren. Wir sitzen eine Weile still da, nicht vorsätzlich, sondern weil mir einfach kein verdammtes Wort zu sagen einfällt.
»Kommst du klar?«, frage ich schließlich.
»Ja«, sagt er. »Und ich würde noch viel besser klarkommen, wenn du dich mal bewegen, mal aus dir herauskommen würdest.«
»Ich? Wovon redest du denn jetzt?« Eigentlich dreht sich dieses Gespräch doch gar nicht um mich. Ich will nicht, dass er sich so herauswindet, sich einfach drückt vor der Konfrontation mit dem, da bin ich sicher, unmöglich zu Ertragenden.
Er lächelt auf sein Notizbuch herunter und weicht meinem Blick aus.
»Die Sache mit Zack, das war nicht dein Fehler. Wir können den Leuten hier trauen, Allison. Das hast du selbst gesagt.«
»Ich weiß.«
»Nein, das glaub ich nicht, denn wenn du es wüsstest, müsste dein verdammter Verehrer nicht zu mir kommen und mich um Erlaubnis bitten, dich zu sehen.«
»Er – mein – was? «
»Collin hat mich letzte Nacht auf meinem Weg zurück zum Zelt abgepasst«, sagt Ted, immer noch meinen Blick meidend, und das ist gut so, denn sonst würde ich seine Augen aus ihren Höhlen kratzen. »Er hat gefragt, ob du … du weißt schon, okay bist.«
»Oh mein Gott.«
»Tja, ich sagte ihm, dir ginge es gut, du hättest einen kleinen Schock von der Geschichte mit Zack und du sorgtest dich wegen deiner Mom. Bist etwas hin- und hergerissen, ob du hierbleiben sollst, oder so. Ich, äh … ich hoffe, ich hab das Richtige gesagt.«
»Natürlich. Ich nehm’s an … Scheiße… Es ist doch so, oder nicht?«
»Hör mit der Heimlichtuerei auf, Allison«, murmelt Ted, klappt sein Notizbuch zu und entfernt sich achselzuckend. Bevor er verschwindet, bleibt er noch mal stehen. »Vergiss Zack und halt dich an Collin. Es könnte die Zeit kommen, wo es hier nicht mehr sicher ist, und wenn diese Zeit kommt, hätte ich ihn gern auf unserer Seite. Ich mag ihn.«
Ich sehe ihm nach, meine Lippen zittern. »Ist dir je in den Sinn gekommen, dass ich ihn vielleicht nicht so mag!?«, schreie ich ihm hinterher, aber er ist schon weg.
»Wen magst du?«
Ein ungebändigter Blondschopf erscheint im Zelt. Es ist Evan, seine blassen Augen tanzen. Er ähnelt seinem Vater in Aussehen und Verhalten so sehr, dass es mir fast so vorkommt, als spräche ich mit einer Ned-Miniatur. Ich kann mir gut vorstellen, dass Ned als Junge genauso aussah: ein stämmiges Bündel Kampfgeist und fliegende Locken.
»Das geht dich einen feuchten Kehricht an, Evan«, sage ich und packe ihn um die Hüfte, während ich das Zelt verlasse. Er quietscht und fuchtelt wild mit den Armen, als ich ihn hoch und runter stemme, während ich mich drehe und ihn in ein Flugzeug verwandele. Mikey, zu gereift für solchen Klamauk, beobachtet uns mit missbilligender Miene, seine Hand ruht auf Dappers Kopf. Ich lasse Evan landen. Er wankt ein wenig, taumelt aus dem Gleichgewicht und fällt schließlich kichernd auf den Bauch, um Dappers Beute zu werden, der ihn entzückt beschnüffelt und beleckt.
»Wo ist euer Vater?«, frage ich und beeile mich, außer Sicht zu kommen. Wenn ich meinen Geist nicht in Trab halte, fange ich an, über Collin nachzudenken. Ich sollte eigentlich mehr aus der Fassung sein, aber tatsächlich erstaunt mich mittlerweile gar nichts mehr. Ted hat recht, ich habe Verstecken gespielt.
»Er ist im Keller. Mom sagt, ihr habt einen Trainingsraum gefunden«, antwortet Mikey.
»Danke. Passt mir gut auf Dapper auf.«
Ich halte mich bedeckt, bleibe auf der entfernten Seite der Arena, so weit wie möglich weg von der Kontrolllinie für Neuankömmlinge. Dort nämlich hält sich Collin auf, seine Größe lässt seinen dunklen Kopf über die meisten anderen ragen. Wahrscheinlich wundert er sich darüber, dass ich mich so rarmache, aber das ist ein Gespräch, das warten kann.
Auf dem Weg sehe ich Corie in einem Kreis der Gemahlinnen sitzen, ihre Hände verwoben mit dem dichten, glänzenden Vorhang ihrer Haare. Die Gemahlinnen nähen, sticken oder was auch immer es ist, was sie den ganzen Tag tun. Corie wirkt fremd, zu hübsch, zu lebendig, um bei ihnen zu hocken. Sie hält ihren Kopf leicht gebeugt, ihr dunkles Haar hat sie wie ein undurchdringliches Tuch auf eine Seite geworfen. Sie sieht mich nicht, nimmt nicht wahr, wie ich ihre traurigen, in die Ferne gerichteten Augen mustere.
Während ich
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