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Sie kommen!: Ein Blog vom Ende der Welt (German Edition)

Sie kommen!: Ein Blog vom Ende der Welt (German Edition)

Titel: Sie kommen!: Ein Blog vom Ende der Welt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Madeleine Roux
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ich habe fünfundvierzig Minuten gebraucht, um seine Mutter zu finden. Es stellte sich heraus, dass sie auf dem Dach in einem Halbkreis von Gemahlinnen der Schwarzen Erde saß und betete.
    In gewisser Weise habe ich das kommen sehen. Vielleicht ist es auch teilweise meine Schuld. Ich fühle mich, als hätte ich ihren Mann vollständig beschlagnahmt. Ted und ich haben seine gesamte Zeit beansprucht, ihn darin bestärkt, uns durch halsbrecherisches Training zu coachen, bis wir auf allen vieren krochen und keuchten wie Verlorene, die sich durch die Wüste schleppen.
    Ich dachte, Corie würde sich zu einer Anführerin entwickeln, aber da habe ich mich getäuscht. Ich hoffte, Stärke in ihr zu finden. Immerhin hat sie es geschafft, zwei kleine Jungs heil durch einen Dschungel aus brennenden Wracks und fleischfressenden Monstern zu bringen. Dafür gebührt ihr immer noch mein Respekt. Aber ich habe nicht die Anführerin gefunden, auf die ich gehofft hatte, vielmehr musste ich erleben, wie sie abdriftete, immer mehr aus meiner Reichweite verschwand, bis die Verbindung ganz abbrach.
    Morgens wandert das Klemmbrett nicht länger von Zelt zu Zelt. Die Gemahlinnen der Schwarzen Erde ballen sich zusammen, versammeln ihre Anhänger und richten sie nach innen aus, zusammengezogen wie eine tote Krabbe auf dem Rücken. Zwischen meinen Stunden mit Ted und Ned (ha, das reimt sich!) im Sportstudio und meinen Schichten am Checkpoint war ich nicht in der Lage, die Gemahlinnen im Auge zu behalten. Mittlerweile sind sie verdächtig schwer zu finden.
    Heute Nachmittag muss ich Corie aufspüren. Mikey und Evan wollen, dass sie ihnen Geometrie beibringt. Doch Corie ist nicht in ihrem Familienzelt und auch nicht in Rufweite. Nun habe ich die undankbare Aufgabe, sie zu suchen, während Mikey und Evan Streichkäse essen und einen alten Tennisball für Dapper werfen. Ich bin nicht sicher, ob er überhaupt noch mein Hund ist. Ich schätze, er ist ganz offiziell übergelaufen.
    Zu guter Letzt stöbere ich Corie auf. Sie und der Rest der Gemahlinnen werden gerade von einem missmutigen Finn ins Haus zurückgetrieben. Er zieht eine Grimasse, während er versucht, eine besonders rundliche, alte Matrone sachte zurück ins Gebäude zu drängen. Seine Gesichtsfarbe gleicht immer mehr dem schreienden Rot seiner Haare. Die Gruppe hat versucht, zum Nordwestausgang hinaus auf den Parkplatz zu gelangen. Auch wenn dort eine Absperrung steht und ein paar Leute Wache halten, ist das Areal alles andere als sicher.
    »Ihr könnt in der Sporthalle mit den anderen beten«, knurrt Finn und schlägt die Tür hinter sich zu. Er stellt sich breit davor und stellt das fette Sturmgewehr vor seiner Brust zur Schau.
    »Aber die Verdammten! Wir müssen für sie beten! Zu ihnen!«
    »Was für ein verfluchter Albtraum.«
    »Corie!«, brülle ich und wate durch den See geblümter Strickjacken und »Glücksduft« verströmender Tennisarmbänder der Kosmetikindustrie für die natürliche Hausfrau von heute. Ich packe Corie am Ellenbogen und ziehe sie aus der wütenden Menge der Hausmütter, die mit spitzen Lippen schmollen. Es ist nicht schwer, Corie fortzuziehen, ihr Ellenbogen passt genau in meine Faust. »Evan und Mikey hoffen, dass du ihnen eine Geometriestunde gibst.«
    Langsam gehen wir den niedrigen und dunklen Korridor hinunter. Gedämpftes Gewehrfeuer dringt an unsere Ohren, während wir das Summen unterdrückter Stimmen hinter uns lassen. Ich weiß, die Gemahlinnen beobachten uns, starren mich an, wie ich Corie von ihnen weghole. Corie taumelt ein wenig und reißt sich dann zusammen. Ich kann die Mutter in ihr sehen, die Kriegerin, die wieder die Oberhand gewinnt. Sie wirkt schrecklich ausgezehrt, ein Wunder, dass das Licht nicht durch ihre blasse Haut fällt.
    »Ich sollte sie unterrichten«, sagt sie stumpf und nickt vor sich hin. Schwarzes Haar fällt in Wellen über ihren Rücken. »Sind sie sehr einsam?«
    »Nein, ich denke nicht. Dapper ist gute Gesellschaft«, sage ich und ringe mir ein Lächeln ab. »Am Ende des Nachmittags sind sie alle todmüde.« Das weiß sie alles, und ich bin nicht sicher, warum ich sie daran erinnern muss. Irgendwas stimmt nicht. Zu offensichtlich hat das Abhängen mit den Gemahlinnen sie ausgepresst.
    »Alles in Ordnung?«, frage ich.
    »Hm? Ja, alles gut«, antwortet sie. Wir stehen am Ausgang vor der Arena. Die leeren Rohre über unseren Köpfen pfeifen mit dem Luftzug des Flurs. Wenn wir weitergehen, laufen wir in den Strom der

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