Sie kommen!: Ein Blog vom Ende der Welt (German Edition)
ihr ins Gesicht zu sehen, ebenso wenig, wie ich Collin gegenübertreten mag. Es scheint mir nicht fair, zu verlangen, dass er sich entscheidet oder die Situation ihr gegenüber rechtfertigt. Niemand ist dafür verantwortlich, wie es gelaufen ist.
Wie gewöhnlich kann ich Ted nirgends auftreiben. Es ist typisch für ihn, in den schlimmsten Momenten verschwunden zu sein, immer dann, wenn ich ihn am meisten brauche. Ned beweist ein mitfühlendes Ohr. Er hat beschlossen, an meiner Seite zu stehen, und für diese Entscheidung bin ich zutiefst und aufrichtig dankbar. Seine Zuneigung allerdings ist zugleich Teil dessen, was zu einem kleinen Ärgernis geführt hat, und wenn ich kleines Ärgernis sage, meine ich ein Loch voll Scheiße, so tief, dass es gut bis zum Mittelpunkt der Erde reichen könnte. Jules Verne wäre stolz darauf.
Die Gemahlinnen der Schwarzen Erde haben eine Entscheidung getroffen: Sie wollen ausziehen. Jetzt, auf der Stelle.
Von Collin erreicht uns die Direktive, dass niemand sie aufhalten soll. Schließlich leben wir nicht in einem Faschistenstaat, sie sollen uns verlassen, wenn sie wollen. Es ist ihre Beerdigung. Ned besteht darauf, dass ich bei ihm bleibe, solange der Schock von Lydias Ankunft noch frisch und schrecklich ist und mich in einen Dämon verwandelt, mit angriffslustigem Gemüt und einer Neigung zu bizarren Halluzinationen. Er erkennt, was die anderen nicht wahrnehmen: Das Fundament meiner Stabilität bestand unglücklicherweise in der Verbindung mit Collin, und jetzt werde ich mir ein neues suchen müssen. Experimente mit Drogen haben hier ihre Grenzen, das weiß ich.
Anschließend verbringen wir zwei Stunden im Sportstudio. Es ist brutal, aber genau die Ablenkung, die ich jetzt dringend brauche. Dann nehmen Ned und ich Dapper mit zum abgesperrten Teil des Parkplatzes, auf dem die Fahrzeuge stehen. Die Gemahlinnen der Schwarzen Erde sollen einen der langen Transporter bekommen, die sechs bis acht Sitzbänke haben. Meines Erachtens haben sie ein solch großzügiges Geschenk nicht verdient.
»Was ist los mit mir? Ich habe mich in eine alte Vettel verwandelt«, schimpfe ich und überprüfe den Kofferraum auf unerwünschte Nachzügler. Wir wurden angewiesen, den Transporter zu säubern und seine Funktionstüchtigkeit sicherzustellen. Es gibt schlimmere Aufgaben, etwa Zombiekörperteile in eine Grube schaufeln oder in frostiger Stille mit Lydia eine Tasse Tee trinken.
»Halt dich verflixt noch mal einfach fern von ihr. Das ist alles, was du tun kannst.«
»Du hast recht. Mir kann man nicht trauen.«
Ned lacht, seine sprühenden blauen Augen blitzen, als er einen tränentreibenden Haufen Staub aus dem Transporter fegt. Ich lasse sein Vatergebaren unkommentiert.
»Falls es dich tröstet, ich mag sie nicht besonders.«
»Sie findet, du bist klein«, versichere ich ihm bestärkend.
»Und ich finde, sie ist eine verkommene Schlampe.«
»Best friends forever, Ned. Best friends forever.«
Dapper springt auf einen der Sitze, beansprucht ihn für sich. Mir erscheint es unvorstellbar, dass ich irgendwo in Ruhe schreiben kann, also setze ich mich auf den Platz neben ihn und nehme das Laptop aus seinem Futteral. Ned schraubt sein Arbeitstempo auf Schneckengang herunter. Falls jemand kommt, um nach uns zu sehen, wirken wir beschäftigt. Wir sind beide ziemlich erfolgreich darin, die Arbeit im Lazarettzelt zu vermeiden. Teds Gotteskomplex wird von der harten Knochenarbeit etwas besänftigt, doch Ned und ich ziehen Schießübungen oder das Sportstudio vor. Draußen auf dem Parkplatz ist es kalt, und meine Finger werden allmählich etwas taub beim Tippen. Dapper versucht, mir das Handgelenk zu lecken, während ich schreibe.
Ab hier verschwimmt meine Erinnerung. Ich weiß noch, dass Ned mit gebeugtem Kopf vor der offenen Wagentür steht und irgendetwas unter dem Beifahrersitz untersucht. Und ich erinnere mich, Schritte draußen auf dem Pflaster zu hören. Dann ist da ein Flüstern und ein fahler brauner Blitz und etwas Hartes, Schweres, das mich am Hinterkopf trifft.
Ich erwache, und mein Hinterkopf fühlt sich weich und nass an. Um mich herum ist es dunkel, feucht und kalt. Mein Gedächtnis ist lückenhaft, aber ich gebe mein Bestes, um mich an das Geschehene zu erinnern. Es fühlt sich an wie der Keller der Arena, riecht aber anders. Metallischer und staubiger. Ich taste an meinem Hinterkopf herum, und meine Finger werden feucht und klebrig. Ein Lecken an ihnen sagt mir, dass sich Blut an
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