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Sie kommen!: Ein Blog vom Ende der Welt (German Edition)

Sie kommen!: Ein Blog vom Ende der Welt (German Edition)

Titel: Sie kommen!: Ein Blog vom Ende der Welt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Madeleine Roux
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Gesundheitslehrer von der Highschool warnte uns davor, verschreibungspflichtige Medikamente mit Alkohol zu mischen. Vielleicht war ja auch nur das Verfallsdatum von diesem Lorazepam überschritten. Tja, immer noch besser, als mir über Lydia die Augen aus dem Kopf zu heulen, nehm ich an.
    »Also dann bist du wohl mein Totem?«
    »Führer.«
    »Natürlich, klar. Hast du einen Rat für mich, oder wie funktioniert das? Muss ich das Blut eines Lammes vergießen?«, frage ich zögernd in seinem Schatten. Er tritt zur Seite und ermöglicht mir den freien Blick auf die Mauern Trojas, die Aschewolke und etwas, das ich für eine weitere Welle Untoter halte, die in dem Rauchschleier warten.
    »Wir kämpfen«, sagt er. Wie aufs Stichwort erscheinen mehr gepanzerte Untote, taumeln über die Dünen und wackeln auf uns zu. »Wir kämpfen, bis du zu erschöpft zum Denken bist.«
    »Das kann nicht richtig sein.«
    Doch sie kommen schon über uns, grunzen und kreischen ihr nervenzerreißendes Klagelied. Odysseus bellt vor Lachen und drückt sich den Helm zurück auf den Kopf. Er macht langsam, lässt mir mehr von den Untoten, lässt sie mit Bedacht vorbei, wenn ich bereit bin zuzuschlagen. Ich merke schnell, dass ich mit dem schweren Schwert allein verloren bin, und greife mir auch einen Schild in der Hoffnung, damit den Ansturm krallender Hände abzuwehren. Die Horde vor uns wächst weiter an, ein gleichmäßiger Strom Untoter. Ihr Kreischen übertönt die krachenden Wellen hinter uns.
    »Wo sind denn alle hin?«, schreie ich über das Hacken und Stöhnen.
    »Weg«, ruft er, »alle zurück nach Hause gegangen, zu ihren Frauen und Familien und Königreichen.«
    »Nur du nicht?«
    »Nein, ich nicht. Noch nicht.«
    Für einen Moment bin ich in Versuchung, ihm reinen Wein einzuschenken über das zehnjährige Ungemach, zu dem er bald aufbricht. Aber dann erhasche ich einen flüchtigen Blick auf sein Schwert, das mit göttlicher Geschwindigkeit zielsicher aufblitzt, und entscheide mich weise dagegen. Vermutlich weiß er es ohnehin. Ich nehme an, aus diesem Grund hängt er an dieser verlassenen Küste herum und verteilt Lebensweisheiten an von Drogen verdorbene Hilfsbuchhändlerinnen mit gebrochenem Herzen aus der Zukunft.
    In diesem Moment stelle ich fest, dass er recht behalten hat. Es ist erschöpfend, und mein Geist ist leer. Ich schlage daneben, verhaspele mich, und mehr als einmal rettet er mich, springt herbei und hält einen Zombie auf, den ich nicht gesehen habe. Die Rüstung macht es schwer, sie zu zerhacken, aber ich lerne, die schwachen Punkte zu treffen und sorgfältig auf die ungeschützten Hälse zu zielen.
    Als der Letzte der Horde endlich zu Boden gestreckt ist, bin ich völlig außer Atem, mein Schweiß fließt in Strömen, die sich an meinen Schläfen und auf meinem Schlüsselbein vereinigen. Odysseus schlägt mir auf die Schulter, und es kostet mich all meine Kraft, nicht vornüber in den Sand zu kippen.
    »Vorsichtig, Mann«, sage ich, richte mich auf und ringe nach Luft. »Deine Faust ist wie ein gottverdammter Bulldozer.«
    »Erklär mir das«, sagt er, wendet sich mir zu und reißt sich wieder den Helm vom Kopf, »diesen Dozer des Bullen.«
    »Das ist nicht so wichtig«, sage ich, winke abwehrend und sehe, wie der Schweiß von meinen Fingern auf seinen Brustpanzer spritzt. »Entschuldigung, es ist so heiß. Können wir jetzt weitermachen mit diesem Führerding?«
    »Du solltest dich geehrt fühlen«, sagt er barsch. »An meiner Seite zu kämpfen, im Blut und den Fußstapfen der besten Krieger Griechenlands – das, zerbrechliche Menschenfrau, ist das wahre Leben.«
    »Yeah, La’chaim.«
    »Sehr schön, ich sehe, du bist am Ende deiner Kräfte«, sagt er. Für einen Moment schaut er weg. Als er mir wieder das Gesicht zudreht, schnappe ich entsetzt nach Luft und taumle zurück, denn der Schock raubt mir die Sprache und jeden Widerstand, wie bei einem Vieh nach einem Stromstoß. Sein Gesicht verändert sich, seine Nase und sein Mund blättern ab wie eine Papiermaske. Plötzlich ist es Collin, der auf mich herunterstarrt, einen Bronzehelm unter den Arm geklemmt und ein Schwert in der blutigen Hand. Die Augen. Die Augen sind immer noch dieselben.
    »Du verlässt mich, oder?«, fragt er.
    »Was? Nein! Ich meine, vielleicht muss ich das, ich weiß nicht«, stammele ich und versuche, nicht hinzusehen. Ist es ein Anzeichen latenter Schizophrenie, wenn man von seinem eigenen Unterbewusstsein verarscht wird? »Ich weiß

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