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Sie kommen!: Ein Blog vom Ende der Welt (German Edition)

Sie kommen!: Ein Blog vom Ende der Welt (German Edition)

Titel: Sie kommen!: Ein Blog vom Ende der Welt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Madeleine Roux
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meinem Kopf befindet, aber es gerinnt bereits, und die Wunde beginnt zu heilen. Stöhnend setzte ich mich auf und spähe in die Finsternis.
    »Hallo?«, krächze ich. »Ist da jemand? Bitte nicht wieder dieser Scheiß. Kacke. Odysseus? «
    Statt einer Antwort hallt meine Stimme aus verschiedenen Richtungen wider. Wenn ich Glück habe, werden diesmal keine epischen Schlachten geschlagen, und keine griechischen Helden prügeln sich herum. Der dünne Duft eines Parfüms hängt über meinem Kopf in der Luft. Einen knappen Meter über dem Boden. Es riecht ein bisschen wie Lavendelseife mit einer scharfen, trockenen Beimischung.
    Zitternd krieche ich auf dem Boden herum und versuche, die Grenzen dieses Raums zu erkunden. Er ist klein, ungefähr drei mal drei Meter, mit zwei Wänden aus groben Ketten, die stark nach Rost riechen. Die anderen Wände bestehen aus rauem, kaltem Zement. Kein Licht, auf das sich das Auge einstellen könnte, aber ich kann eine Art Fenster über mir ausmachen. Es ist mit Pappe verdeckt, um das Sonnen- oder Sternenlicht auszuschließen. Ich habe keine Ahnung, wie spät es ist, keinen Schimmer, wie viel Zeit vergangen ist, seit ich im Transporter gesessen habe. In einer Ecke steht ein Eimer, und ich nehme an, er soll mir als Klo dienen.
    Was mich am meisten beunruhigt, ist der Umstand, dass ich alleine bin. Weder Dapper noch Ned scheinen in der Nähe zu sein.
    An die Wand gekauert warte ich mit meinen Fragen als einziger Gesellschaft. Stunden vergehen. Ich fühle fast nichts mehr, denn ich weiß, was auch immer jetzt passiert, liegt wahrscheinlich nicht in meinen Händen. Kein Aufbrausen von Kraft, kein Augenblick großer Wut, denn ich kann mich nicht erinnern, jemals hilfloser gewesen zu sein. Es gibt nur eine Möglichkeit: warten.
    Endlich, mit knurrendem Magen, in dem es alle zwanzig Sekunden wild rumort, höre ich Schritte. Eine Taschenlampe taucht auf, der dünne, gelbe Strahl tanzt über den Beton. Ich sehe, dass ich in einem Keller bin, der wahrscheinlich mal ein Lagerraum war. Die Taschenlampe beleuchtet einen Haufen erschlaffter Fuß- und Basketbälle und in einer entfernteren Ecke die Überreste eines kleinen Hockeytors. Das Licht trifft in meine Pupillen und lässt in meinem empfindlichen Kopf wieder den Schmerz explodieren. Ich bedecke meine Augen und blinzle dann in das stechende Licht, um zu erkennen, wer da zu mir kommt. Eine sehr große, ausladende Gestalt mit breiten, männlichen Schultern und einem Mopp lockiger Haare, die an ihrem Kopf kleben wie ein fettiger Helm. Ihr Mund ist klein und runzlig und ihre Augen sind eng zusammengezogen. Sie ist etwa so groß wie Ned, mindestens einsachtzig.
    »Wo bin ich?«, frage ich, wobei ich feststelle, dass meine Stimme noch heiserer geworden ist.
    »Du isst jetzt«, knurrt eine Frauenstimme, und die Gestalt kniet sich unter großer Mühe hin, um durch einen Spalt in der Kettentür einen flachen Teller zu schieben. Ein großes, fieses Vorhängeschloss hängt um die Türklinke. »In ein paar Stunden komme ich zurück.«
    »Warte bitte«, sage ich und krabble auf allen vieren vorwärts. »Kannst du mir nicht einfach sagen, wer du bist? Wer bist du? «
    »Nicht wichtig«, antwortet sie mit einem schweren deutschen oder vielleicht schwedischen Akzent, der anscheinend erst vor kurzem aus dem Mutterland importiert wurde. »Ich komme bald wieder zu dir.«
    Eine verfluchte Lügnerin, denn sie kehrt für Stunden nicht zurück. Zwischenzeitlich esse ich, was sie mir gebracht hat – eine magere, wässrige Portion Haferbrei. Er schmeckt schal, und ich kann mir vorstellen, wie er für Jahrzehnte im hintersten Winkel einer Speisekammer voller Spinnweben dahinvegetierte. Aber ich esse ihn und hoffe, dass er nicht mit irgendwas versetzt ist. Ich versuche mir etwas einfallen zu lassen, um die Zeit einzuschätzen. Aber ohne einen Sonnenstrahl auf dem Boden ist es unmöglich, das Zeitgefühl zu behalten.
    Inzwischen fantasiere ich, durch die Wand zu brechen wie Superman, durch die Luft zu fliegen mit meinem Adlerblick und das Land nach meiner Mutter abzusuchen. Dann stoße ich hinab, greife sie und nehme sie mit auf eine Festung auf einer Bergspitze, wo wir schüsselweise Karamellpudding essen, bis wir daran sterben.
    Als ich das nächste Mal ein Geräusch höre, kommt es aus einem Raum neben meinem. Die Taschenlampe kehrt zurück, und mit ihr dieselbe Frau, aber statt meine Tür zu öffnen und nach mir zu sehen, öffnet sie den nächsten Raum und stößt

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