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Sie kommen!: Ein Blog vom Ende der Welt (German Edition)

Sie kommen!: Ein Blog vom Ende der Welt (German Edition)

Titel: Sie kommen!: Ein Blog vom Ende der Welt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Madeleine Roux
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die Kraft zu diskutieren. Meine Rippen bringen mich um, und ich spüre die Müdigkeit in meine Beine sickern, in meine Knie, in meine Zehennägel.
    Wir drängen uns in den Lieferwagen, und Ned fährt uns den Hügel hoch. Renny spielt Stein, Schere, Papier mit den Jungs, und nach ein, zwei Minuten scheinen sie ihr früheres Selbst wiederzufinden. Über ihren Köpfen zeige ich Renny einen erhobenen Daumen.
    Wir lassen den Nebel hinter uns, der uns jedoch folgt. Unerbittlich kriecht er den Hügel hinauf, verschluckt die Bäume und die lustig bemalten Bänke. Er löscht jede Spur von der Straße aus, auf der wir gekommen sind.
    Es gibt drei Zelte, und ich verdränge meine Schmerzen lange genug, um beim Aufbau zu helfen. Lydia, Finn und Collin nehmen eines, Ned und seine Kinder das nächste und Ted, Renny und ich das dritte. Sie bieten nicht viel Platz, aber wir drei schaffen es, uns bequem einzurichten. Es ist gemütlich, und obwohl Dapper nichts leistet, sind wir alle froh über einen begeisterten Fußwärmer, auch wenn er nach Maischips riecht.
    Gerade als Dapper zart zu schnarchen beginnt, tippt mir plötzlich etwas ans Knie. Ich setzte mich auf und sehe einen matten, schimmernden Griff an mein Bein gelehnt. Ted grinst mich diebisch an, sein errötendes Gesicht von der kühlen Dunkelheit verborgen. Verborgen, sicher, aber ich weiß auch so, dass er rot geworden ist.
    »Was ist das?«, frage ich. Mit einem Schmerz in der Seite beuge ich mich vor, um danach zu greifen.
    »Nur eine alte Freundin. Ich dachte, du hättest sie vielleicht gern wieder.«
    Es ist meine Axt, ein bisschen versengt, aber ansonsten intakt.
    »Ted … ich … Aber du wusstest doch gar nicht, dass ich …«
    »Natürlich wusste ich das«, sagt er und gluckst in sich hinein. »Ich wusste, dass es mehr als ein paar irre Weiber braucht, um dich kleinzukriegen. Nebenbei, dich wird nichts aufhalten, bis du deine Mom gefunden hast, oder?«
    »Ich bin platt.«
    »Ach, ist doch keine große Sache.«
    »Doch. Wirklich, das bedeutet mir eine Menge.«
    Er legt sich wieder hin, immer noch lächelnd, und ich bette mich auf die Seite, aber es schmerzt. Alles schmerzt. Zum Schluss liege ich auf dem Rücken, das Sweatshirt, das mir als Kopfkissen dient, zu einem kleinen Quadrat zusammengeboxt. Ich stütze meinen Hals darauf, aber es nützt nichts. Der Schlaf kommt nicht, flüstert nicht mal in der Ferne. Ich warte eine Weile, warte, bis ich sicher bin, dass Ted und Renny schlafen.
    C-sechs, H-sechs Benzol, A-G-zwei-O Silberoxyd, C-U-Fe-S-zwei Kupfereisensulfit …
    Ted murmelt im Schlaf, als ich aufstehe und über den Hund stolpere. »Ich muss nur pinkeln«, flüstere ich, und er verstummt.
    Draußen ist es eiskalt, und ich nehme den Kissenpulli und ziehe ihn an. Der Herbst verlässt uns, die Kälte wird strenger. Das war unvermeidlich, und doch fühle ich mich noch hilfloser. Die Gefahr marschiert stetig auf uns zu, Zentimeter für schrecklichen Zentimeter. Wenn wir nicht von Monstern zerstückelt werden oder von unsereins umgebracht, sterben wir an der Kälte, am Hunger oder an einer Krankheit, die uns die Kraft raubt, unsere Würde und zuletzt das Leben.
    Kein Wunder, dass ich keinen Scheißschlaf finde.
    Ich gehe zum höchsten Punkt des Hügels, hinter dem er sich allmählich wieder senkt, in Richtung – was? Ein Becken? Ein paar Zäune? Der Nebel hat sich verzogen, und jetzt liegt nur noch ein funkelnder, silbriger Dunst unter uns. Der Mond scheint hell, der Himmel ist fast klar, nur ein paar trübe Wolken gleiten über die Sterne. Vereinzelt zirpen noch letzte Grillen, erstaunlich, dass sie noch nicht gestorben sind. Wie halten ihre kleinen Körper das aus? Wie können sie der Kälte widerstehen?
    Der Hügel breitet sich zu meinen Füßen aus. Das nasse Gras schimmert und glitzert von Hunderten kleiner Eiskristalle. Wir werden im Frost erwachen. Unser Atem wird milchige Schatten auf die Wände des Zeltes malen … Aber Schlaf … ich weiß nicht, ob ich das schaffe. Selbst wenn meine Brust aufhörte zu schmerzen, selbst wenn mein Körper sich gut fühlen würde, glaube ich nicht, dass meine Gedanken mir erlauben würden zu ruhen.
    Hinter mir höre ich Schritte, ein sanftes Geräusch auf knirschendem Gras. Ich weiß, dass es keine Untoten sind. Deren Schritte sind niemals gleichmäßig, da ist immer ein Hinken, stets scharren oder schlurfen sie. Tatsächlich weiß ich ganz genau, wer es ist, aber ich will mich nicht umdrehen und ihn ansehen. Die Wärme seiner

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