Sie liebt mich, sie liebt mich nicht...
Danny die blöden Witze seines Vaters, und es machte ihm auch nichts aus, Zielscheibe seines Spotts zu sein. Aber bitte nicht vor Lisa!
»Es gibt viel zu sehen hier in London«, sagte Alice. »Du wirst nicht wissen, wo anfangen. Houses of Parliament, Tower, Westminster Abbey...«
»Für Besichtigungen bin ich nicht so zu haben«, wehrte Lisa ab.
»Es gibt auch eine Menge hübscher Parks hier in der Gegend«, sagte die Mutter, »wenn du Parks magst.«
»Wahrscheinlich werde ich gar nicht soviel Zeit haben zum Spazierengehen. Jedenfalls hoffe ich, daß ich vollauf damit beschäftigt sein werde, Bewerbungsbogen auszufüllen und Lebensläufe zu schreiben und — der Himmel möge es geben — auch Vorstellungsgespräche zu führen.«
»Wir können uns zusammentun«, sagte Dannys Vater, »und als Team arbeiten. Übrigens, weiß einer von euch, warum der Zitronenfalter Zitronenfalter heißt?«
»Nein«, sagte Alice, »warum heißt der Zitronenfalter Zitronenfalter?«
»Weil er hauptberuflich Zitronen faltet.«
»Trara!« riefen beide im Chor und prusteten los vor Lachen. Das Beste bei diesen albernen Vater-Tochter-Spielchen war für Danny Brians verständnisloser Gesichtsausdruck. Brian hatte keinerlei Sinn für Humor. Woher auch; schließlich war er Bankangestellter.
»Du bist erstaunlich fröhlich«, sagte Lisa, »wenn man bedenkt...«
Der Vater wedelte mit der Hand. »Pssst! Nicht darüber reden. Ich will gar nicht daran denken, sonst muß ich mich noch eines Tages im Schuppen aufhängen — an meinen Hosenträgern.«
»Sag so etwas nicht«, meinte seine Frau. »Nicht mal im Spaß.«
»Wer sagt denn, daß es Spaß ist?« Der Vater sah sie auf eine Art und Weise an, bei der es Danny ungemütlich wurde. Im Wohnzimmer wurde es still.
Abgesehen von dem Ernst, mit dem der Vater an jenem Abend zu ihm gesprochen hatte, schien ihn die Kündigung nicht weiter zu beschäftigen. Danny begann sich zu fragen, was sich wohl unter der Oberfläche abspielte. War es wie bei einem Schwan, der auf dem Wasser dahingleitet und unter der Wasseroberfläche wie ein Verrückter paddelt.
»Nach was für einer Art Job suchst du überhaupt, Lisa?« fragte Alice, um das unangenehme Schweigen zu brechen.
»Ich habe ein Diplom in Volkswirtschaft und suche eigentlich schon etwas in der Richtung.« Danny fiel auf, daß sein Vater angestrengt auf einen Fleck an der Decke starrte und die Hände im Schoß verkrampfte, bis die Knöchel weiß hervortraten. Als er merkte, daß Danny ihn beobachtete, blinzelte er ihm zu und bemühte sich sichtlich, sich zu entspannen.
Danny fragte sich, ob er den Vorschlag machen sollte, selbst einen Ferienjob anzunehmen. Ein paar seiner Freunde arbeiteten ebenfalls, sie füllten die Regale in einem Supermarkt. Und Andy hatte einen Job in einer Essig-Abfüllerei bekommen und klebte Etikette auf die Flaschen. Sollte er auch so etwas machen? Begeistert war er von der Vorstellung nicht. Wenn er mit der Schule fertig war, würde er arbeiten müssen, ob er wollte oder nicht. Aber vielleicht sollte er den Vorschlag trotzdem machen. Erwarteten sie es sogar von ihm? Warum zwangen die Umstände ihn zu solchen Entscheidungen? Er haßte es, Entscheidungen treffen zu müssen, vor allem, wenn er wußte, was er tun sollte, dazu aber keine Lust hatte. Nächste Woche war auch noch Zeit, sich darüber Gedanken zu machen. Und vielleicht ergab sich ja einfach etwas.
In der Nacht lag Danny wach und dachte an Lisa. Er stand auf, tappte durchs Zimmer und berührte mit den Fingerspitzen die Wand, die ihn von ihr trennte. Da lag sie, im Bett, nur wenige Meter von ihm entfernt. Wie konnte sie nur schlafen, wenn er solche Gefühle für sie empfand? Auf dem Flur war es sehr still und sehr dunkel. Er berührte die Klinke an ihrer Tür. Er glaubte, ein Geräusch von drinnen zu hören, und lief mit wild klopfendem Herzen in sein Zimmer zurück. An die Tür gepreßt stand er da und lauschte eine ganze Weile. Er hörte nichts. Er hatte es sich nur eingebildet. Er legte sich wieder hin, konnte jedoch nicht einschlafen. Sein Kissen schien ein Klumpen zu sein. Er zog Nickys Briefe darunter hervor und stopfte sie zwischen die anderen Papiere unter seinem Tisch. Der Streifen mit vier kleinen Schwarzweißfotos rutschte unbemerkt in den Spalt zwischen Bett und Wand.
6
»Sie ist so schön. Du glaubst nicht, wie schön sie ist. Wie ein Filmstar. Haargenau wie ein Filmstar. Felix, hörst du mir überhaupt zu?«
»Hm.« Felix hatte den Kopf in
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