Sie liebt mich, sie liebt mich nicht...
wörtlich gesagt: >Du kannst den Job nicht haben, weil wir ein Mädchen wollen«?«
»Nein. Wörtlich haben sie gesagt: »Die Stelle ist schon vergeben, aber du hättest sie ohnehin nicht bekommen, weil wir eine junge Dame suchten.««
»Oh. Bist du sicher, daß sie tatsächlich schon jemanden hatten? Sie können dir den Job nämlich nicht verweigern wegen deines Geschlechts. Das ist gegen das Gesetz.«
»Ich hab’ sie gesehen. Beim Teekochen. Außerdem war es ein lausiges Büro. Mehr so eine Art zweigeteilte Baracke. Ziemlich zwielichtig. Ich bin mir vorgekommen wie ein Idiot. Was wird Mom sagen? Sie hat mich gewarnt, aber ich war mir meiner Sache so sicher. Wenn ich jetzt heimkomme, geht es los mit >ich hab’s dir ja gesagt«.«
»Das wird sie nicht sagen.«
»Doch, sie tut es immer. >Ich hab’ dir gesagt, das haut nicht hin. Ich hab’ dir gesagt, daß es so kommt. Hab’ ich es dir nicht gesagt?« Bei Alice ist es etwas anderes. Alice macht alles richtig.«
»Reg dich ab«, sagte Lisa. »Du kannst dich ganz schön in was reinsteigern, wie?«
»Ja!«
»Es ist ja nicht so, daß du bei dem Gespräch was Dummes gesagt hättest. Der Job war einfach schon weg. Das ist nicht deine Schuld. Geh zurück zu dieser Job Vermittlung und beklage dich. Sie hätten dir die Adresse gar nicht geben dürfen. Geh hin und mach Rabatz. Ich an deiner Stelle würde es tun.«
Er schaute ihr direkt in die riesengroßen Augen. »Du würdest es wirklich machen, stimmt’s?«
»Darauf kannst du Gift nehmen.«
»Ich wünschte, ich wäre so stark und entschlossen wie du. Ich denke oft: Das machst du. Aber wenn es dann soweit ist, werd’ ich wieder schwach. Verstehst du, was ich meine?«
»Du mußt...« Sie unterbrach sich. Er dachte: Jetzt überlegt sie, wie sie mir am besten etwas sagen kann, was ich nicht hören will. »Du mußt deinen Mann stehen. Wirklich, das mußt du.« Sie hielt ihm die Hand vor die Nase. »Siehst du, was ich hier habe?«
»Hm?«
»Das ist Rückgrat-Spray. Eine Dose mit sofortwirkendem Rückgrat-Spray. Einmal drübergesprüht, und du wirst nie mehr schwach.« Sie tat so, als sprühe sie ihn von oben bis unten ein.
Er mußte lachen.
»So«, sagte sie, »jetzt bist du stark und selbstbewußt. Und wenn du das Gefühl hast, du könntest wieder schwach werden, kriegst du noch eine Ladung ab.«
Er wollte ihr sagen, daß sie der wunderbarste Mensch sei, dem er je begegnet war, aber er brachte es nicht über die Lippen. Statt dessen nahm er einen größeren Schluck Bier, als er eigentlich wollte, und kleckerte die Hälfte davon an sich hinunter. »O Gott!« sagte er und tupfte sich ab.
Sie lachte und klappte den Ordner zu. »Spritz mir die Sachen nicht naß, ich brauche sie morgen noch.«
»Was ist morgen dran?«
»Phase zwei des Gesprächs. Das heute war nur ein Beschnuppern. Morgen geht es richtig los, den ganzen Tag.«
»Den ganzen Tag?«
»Ja. Moment, hier irgendwo muß der Tagesplan sein... Da ist er ja. Schau ihn dir an.« Sie reichte ihm drei zusammengeheftete Blätter: Ankunft 9.00 Uhr. Einführungsgespräch 9.15—10.00 Uhr. Gruppenseminar 10.00-11.15 Uhr. Kaffeepause 11.15-11.30Uhr. Rollenspiele 11.30-13.00 Uhr. Und so weiter.«
»Das ist kein Vorstellungsgespräch, das ist ein Selbstmordkommando.«
»Ich freue mich darauf.«
»Tatsächlich?«
»Ja, ich stelle es mir ganz lustig vor. Rollenspiele finde ich toll, vor allem, wenn man einen ärgerlichen Kunden spielen kann, dem was verkauft wurde, was nicht funktioniert. Dabei kann man so richtig Frust ablassen. Einmal habe ich einen Alkoholiker gespielt. Das war astrein.«
»Macht dich sowas nicht schrecklich verlegen?«
»Natürlich nicht. Das erste, was du lernen mußt, ist, daß jeder ständig irgendeine Rolle spielt, und das die ganze Zeit über. Jeder.«
Ungläubig schaute Danny sie an.
»Schau«, sagte sie und legte die Hand auf seinen Arm, »es ist ganz einfach, wenn man mal richtig darüber nachdenkt. Auch du spielst die ganze Zeit über, nur bist du dir dessen nicht bewußt. Verhältst du dich nicht anders, wenn du mit deiner Mutter zusammen bist, als mit... mit Nicky zum Beispiel? Oder mit deinen Kumpels in der Schule? Du verhältst dich anders gegenüber Lehrern und wieder anders gegenüber Alice. Dahinter steckst immer du, aber in deinen Umgangsformen stellst du dich immer auf die- oder denjenigen ein, mit dem du es gerade zu tun hast. Bei deiner Mutter zum Beispiel gehst du ganz auf Abwehr. Wenn sie nicht in der Nähe ist,
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