Sie liebt mich, sie liebt mich nicht...
hören.
»Sie hat ein Gesicht wie..., hm..., ein bißchen wie ein Hamster, der gerade aus dem Vorratsschrank kommt. Weißt du, was ich meine? Ziemlich rund mit großen Zähnen und furchtbar neugierig.« Er grinste hilflos. »Weißt du es jetzt?«
»Eigentlich wollte ich nicht wissen, wie sie aussieht, sondern wie sie ist.«
»Oh, verstehe. Sie ist... sie ist sehr willensstark. Verstehst du, was ich meine? Sehr emanzipiert. Sie hat viele Ideen und zu allem eine Meinung.« Danny steckte die Nase ins Bierglas. »Und sie scheucht mich chronisch herum.«
»Wenn du es zuläßt...«
»Tu’ ich ja nicht. Ich habe einfach keine Wahl.«
»Danny, der Märtyrer. Du tust mir ja so leid.«
»Ich mir auch.« Er kicherte in sein Bierglas, und die Spannung, hervorgerufen durch Lisas Nähe, ließ nach.
8
Das Haus war leer, als sie zurückkamen, oder zumindest schien es so.
Lisa ging gleich nach oben ins Bad, um zu duschen.
Danny irrte ziellos im unteren Stockwerk herum. Er fühlte sich angenehm benommen. Das konnte vom Bier kommen oder von Lisa. Beide schienen den gleichen Effekt auszulösen. Mit ihr zusammen zu sein war wie betrunken sein. Er hatte das Gefühl, als könne er über alles mit ihr reden und sie würde ihn verstehen. Sie schien instinktiv zu wissen, wann er ehrlich war und wann er schwindelte — oder besser: wann er etwas vortäuschte —, noch bevor er sich selbst dessen bewußt war. Er hatte das Gefühl, als habe sie seinen Kopf geöffnet, alle seine vorgefaßten Meinungen ans Tageslicht gebracht und vor ihm ausgebreitet. Ihm war zum Beispiel bisher nie aufgefallen, was er Nicky gegenüber alles vortäuschte: schwer von Begriff zu sein,- sich nicht darum zu scheren, was sie taten oder wohin sie gingen, und sich wie ein Schoßhündchen herumführen zu lassen. Und auch bei seinen Freunden spielte er: Andy gegenüber so zu tun, als fände er seine Bus-Leidenschaft todlangweilig, dabei war die Vorstellung, daß die Vehikel von überall her kamen, ganz romantisch; Felix gegenüber so zu tun, als interessiere ihn die Kamera kein bißchen, und sich insgeheim wünschen, selbst das zu können, wozu Felix fähig war.
In der Küche stand der übliche Berg schmutziges Geschirr. Langsam arbeitete Danny sich durch, trocknete ab und räumte auf. Dann wollte er eigentlich ins Bad, doch es fiel ihm gerade noch rechtzeitig ein, daß Lisa dort war. Er stand vor dem Spiegel im Flur und dachte: Was macht sie bloß mit mir?
Langsam ging er die Treppe hinauf. Er wollte in sein Zimmer, blieb jedoch oben an der Treppe stehen, weil er glaubte, ein schwaches Geräusch aus dem Schlafzimmer seiner Eltern zu hören. Vielleicht war doch jemand zu Hause. Er klopfte an die Schlafzimmertür und lugte durch den offenen Spalt. Ein ekelerregender Gestank kam ihm entgegen. Sein Vater hing mit dem Oberkörper über dem Bett, sein Kopf hing nach unten. Überall war Erbrochenes, auf dem Boden und auf dem Bett, und sein Vater lag reglos mittendrin wie tot.
Irgend etwas passierte in Dannys Kopf, etwas, was wie ein Betäubungsmittel wirkte. Ein gottgesandter chemischer Stoff durchströmte sein Hirn, so daß die nächsten Minuten wie im Traum vergingen. Er drehte seinen Vater um und brachte ihn in eine sitzende Position. Er hätte nie gedacht, daß ein menschlicher Körper so schwer sein könnte. Nicht bleischwer, aber furchtbar unhandlich; er schien sich gegen jede Veränderung seiner Lage zu wehren.
Der Vater öffnete die Augen, sie sahen aus wie trübe Murmeln, und hustete Schleim.
Danny ließ ihn am Bettende seitwärts auf den Boden gleiten und rannte hinaus, um Lisa zu holen.
Sie war fertig mit duschen und zog gerade ihre verwaschenen Jeans an. Er sah ihren erschrockenen Ausdruck, hatte jedoch keine Zeit, sich wegen seines Hereinplatzens zu entschuldigen. »Schnell! Mein Vater!«
Sie liefen zu dem stinkenden Schlafzimmer. Keiner sagte ein Wort. Später wunderte sich Danny, wie gut sie zusammengearbeitet hatten: den Vater auf die Füße stellen, ihn ins Bad schleifen und mit dem Kopf über der Toilette festhalten, wo er würgte und spuckte und den Kopf schüttelte wie ein gepeinigtes Tier.
Lisa holte ein Handtuch und wischte ihm das Gesicht ab. In den Vater kam ein bißchen Leben; er kroch über die Fliesen und saß dann, den Rücken an die Wanne gelehnt, auf dem Boden. Lisa lief hinaus und kam ein paar Sekunden später mit einer leeren Whiskyflasche in der Hand zurück. Das war es also gewesen, was Danny im Atem seines Vaters gerochen
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