Sie liebt mich, sie liebt mich nicht...
wie letzten Sonntagnachmittag im Park, bist du völlig anders. Verstehst du, was ich meine?«
»Ja, aber das liegt daran, daß ich mit dir reden kann und mit ihr nicht. Da redet immer nur sie.«
»Ich will hier nicht versuchen, dein Verhältnis zu deiner Mutter zu analysieren, das steht mir wirklich nicht zu. Ich weiß nur, daß ich den Danny, mit dem ich am Sonntag zusammen war, entschieden netter fand.«
Danny überlegte eine Weile schweigend. Er spürte ihre Hand auf seinem Arm so deutlich, als sei sie rotglühend.
»Aber...« Es war schwierig, seine Gedanken in Worte zu fassen. »... ich tu’ es ja nicht mit Absicht.« Er wollte sagen, daß er sich seiner Mutter gegenüber nicht abwehrend verhielt, er verfiel einfach in eine passive Abwehrhaltung, weil er sich von ihr ständig angegriffen fühlte. Aber stimmte das eigentlich?
»Du solltest dich mehr behaupten«, sagte Lisa. »Was? Zurückschlagen? Sie würde mich umbringen. Ihr müßtet mich mit einer Spachtel von der Wand kratzen.«
»Sich zu behaupten hat nichts mit Aggressivität zu tun. Ich weiß was, wir machen ein Rollenspiel. Du bist deine Mutter, und ich bin du.«
»Hm
»Worüber regt sie sich bei dir immer wieder auf?«
»Daß ich lebe.«
»Geht’s auch etwas konkreter?«
Danny überlegte. Es gab so vieles. »Wenn ich mir was zu essen mache und anschließend nicht abspüle.«
» Okay. Es geht los. Ich bin du, und ich habe vergessen abzuwaschen. Du kommst nach Hause, und das Spülbecken steht voll schmutzigem Geschirr. Denk dran, du bist deine Mutter. Was tust du?«
»Ich reiß’ dir den Kopf ab — trete dir in die Weichteile.«
»Danny! Mach keinen Quatsch.«
»Okay.« Er lachte. »Warum hast du wieder nicht abgewaschen, du nichtsnutziger Tropf?«
»Vergessen.«
»Du vergißt immer alles. Du hast keinen Kopf zwischen den Ohren, sondern ein Sieb.«
»Es tut mir leid, ehrlich. Ich versuche ja, daran zu denken, aber dann fallen mir immer wieder andere Sachen ein. Vielleicht könnten wir irgend etwas finden, womit ich meinem Gedächtnis nachhelfen kann. Ich könnte zum Beispiel eine Liste machen von all den Sachen, von denen ich eigentlich weiß, daß ich sie tun sollte. Ich hab’ eine Idee: Ich mach’ uns eine Tasse Tee, und dann setzen wir uns hin und schreiben alles auf, was ich ständig vergesse. Die Liste hänge ich mir dann innen an meine Zimmertür. Das ist doch eine gute Idee, oder? Dann sehe ich sie immer, wenn ich rausgehe. Hilfst du mir, die Liste zu machen, Mom?«
»Sie würde den Notarzt rufen oder mich gleich in die geschlossene Anstalt bringen.«
»Nicht wenn du es so sagen würdest, daß sie dir glauben könnte.«
Danny grinste sie an.
»Du bist immer noch deine Mutter«, sagte Lisa. »Was würde sie sagen?«
Danny preßte eine Hand auf sein Herz und ließ sich vornüberfallen. »Schnell, einen Arzt! Mein Herz...!
Lisa lachte. »Na, siehst du. So schwer war das doch gar nicht, oder?«
Er setzte sich wieder aufrecht hin. »Aber wenn es drauf ankommt, würde mir so etwas nie einfallen.«
»Natürlich. Du bist nicht halb so blöde, wie du meinst.«
»Ist das dein Ernst?«
»Wenn ich dich für doof hielte, würde ich jetzt nicht mit dir hier sitzen.«
»Lisa?«
»Ja?«
»Du bist etwas ganz Besonderes.«
»Ja, ich weiß.«
Danny trank noch einen Schluck Bier, und diesmal schaffte er es sogar, daß das meiste davon seine Kehle hinunterlief und nicht sein Hemd. Er war angespannt wie eine Stahlfeder. Er wollte ihr unbedingt sagen, was er für sie empfand, aber der Wunsch war zu plötzlich gekommen. Und er kannte sie noch nicht gut genug, um ihre Reaktion abschätzen zu können. Es könnte sein, daß sie ihn auslachte, und das wäre dann so, als würde ein ganzer Wolkenkratzer über ihm Zusammenstürzen.
»Erzähle mir von Nicky«, sagte Lisa. Es war, als habe sie seine Gedanken gelesen und wolle ihn ablenken.
»Was möchtest du denn wissen?« sagte er und dachte dabei: Ich möchte über dich reden. Ich möchte über mich reden. Ich möchte über uns reden. Ich möchte nicht über Nicky reden.
»Wie ist sie?«
»Ein Meter dreiundsechzig«, begann Danny, als lese er die einzelnen Posten auf einer Einkaufsliste ab, »schwarzes Haar, braune Augen, rote Lippen, weiße Zähne... Und, na ja, du weißt schon, das Übliche eben. Arme, Finger, Beine, Füße und das, was Mädchen so dazwischen haben.« Er warf Lisa einen raschen Blick zu.
Sie saß da, als warte sie geduldig darauf, etwas Vernünftiges von ihm zu
Weitere Kostenlose Bücher