Sie liebt mich, sie liebt mich nicht...
der Uhrzeit. Nachts fallen alle natürlichen Schranken. Die Leute vertrauen sich die unmöglichsten Sachen an. In meiner Studienzeit haben mir die Leute zwischen zwei und vier Uhr morgens die absonderlichsten Dinge erzählt.«
»Und was passierte um vier?«
»Entweder sie sind in ihre eigenen Zimmer zurückgegangen oder auf dem Teppich eingeschlafen.«
»Hört sich gut an.« Seine Hand tastete sich hinauf zu ihrer Brust. Sie hob die Hand hoch und legte sie auf die Decke. Keiner sprach.
Er betrachtete in der Dunkelheit ihr Gesicht. Ihre Züge waren verschwommen, doch er konnte erkennen, daß sie an die Decke starrte.
»Lisa?«
»Sag es nicht, Danny.«
»Was soll ich nicht sagen?«
»Was immer du gerade sagen wolltest.«
Er stützte sich auf den Ellbogen. »Weshalb nicht?«
»Meinst du nicht, es ist besser, du gehst jetzt wieder in dein Zimmer?«
»Eigentlich nicht.«
»Aber ich meine es.«
»Warum?«
»Hör zu, Danny...«
»...du bist wundervoll, weißt du das?«
»Nicht, Danny.«
»Ich kann nichts dafür. Du bist das wunderbarste Mädchen... die wunderbarste Frau, meine ich, auf der ganzen Welt.«
»Bin ich nicht.«
»Bist du wohl.«
»Bin ich nicht. Hör auf, Danny.«
»Ich tu’ doch gar nichts.«
»Ich bin nicht in dich verliebt, Danny.« Lisa wandte ihm den Kopf zu und schaute ihn direkt an. »Tut mir leid. Tut mir leid, wenn ich Dinge gesagt oder getan habe, die... Dinge, die du mißverstanden hast. Ich mag dich sehr. Ich hab’ dich wirklich schrecklich gern, aber nicht so.«
»Weshalb hast du mich dann gestern abend geküßt?«
»Weil ich dich gern habe.«
»Aber nicht...«
»Nein.«
»Nicht mal ein winziges bißchen?«
»Tut mir leid.«
Er setzte sich auf. Er saß in der Falle. Er saß in der Falle, weil ihm die Tür zu seinen Hoffnungen und Wünschen vor der Nase zugeschlagen worden war und er nicht wußte, wie er würdig den Rückzug antreten solle.
Lisa knuffte ihn in die Rippe. »Sei nicht beleidigt.«
»Bin ich nicht.« Er sah sie an. »Schau her, ich strahle über alle vier Backen.«
»Ich würde jetzt gern weiterschlafen.«
»Ja. Okay.« Er kletterte aus dem Bett. »Danke, daß ich mit dir reden konnte.«
»Nichts zu danken. Wir sind doch Freunde, oder?«
»Ja.« Er schlich zurück in sein eigenes Zimmer und legte sich aufs Bett. Er hatte das Gefühl, in eine eisige Ruhe eingehüllt zu sein, in einem endlosen Nebel zu schweben, untätig, ohne Ziel und ohne einen zusammenhängenden Gedanken im Kopf.
12
Die nächsten Tage waren in Spannungen und Unsicherheiten verknotet. Das Haus schien hin und her gezogen, zusammengedrückt und ausgewrungen zu werden wie ein Putzlappen. Die Eltern kamen Danny wie die Figuren in einem Wetterhäuschen vor. Wenn die eine kam, ging die andere. Nie waren sie gleichzeitig drinnen oder draußen.
Lisa erhielt einen Luftpostbrief aus Amerika und war für den Rest des Tages ziemlich niedergedrückt. Danny hätte gern noch einmal die Intimität des nächtlichen Gesprächs in ihrem Zimmer erlebt, doch Lisa war seltsam abwesend und ausweichend, als sei sie mit ihren Gedanken sehr weit weg. Dannys Mutter verkündete, daß sie nicht erst ab nächster Woche, sondern bereits ab morgen ganztags arbeiten wolle. Sie sagte das in einer so herausfordernden Art und Weise, als warte sie nur darauf, sich mit jemandem anzulegen. Niemand nahm die Herausforderung an. Der Vater verließ das Haus am späten Nachmittag und kam nicht vor drei oder vier Uhr morgens zurück. Danny dachte daran, sich noch einmal in Lisas Zimmer zu schleichen, tat es dann aber doch nicht.
An zwei Tagen strich Lisa morgens ungeduldig um den Briefkasten herum, bereit, sich sofort auf den Brief zu stürzen. Sie war noch immer überzeugt, daß sie den Job erhalten hatte. Nachmittags spielten Lisa, Danny und der Vater Brettspiele, sahen fern, gingen einkaufen oder machten sich im Haus nützlich. Danny spürte Lisas Vorfreude auf den Job, die sie umgab wie eine Wattekugel. Vaters Anwesenheit machte es ihm unmöglich, zu ihr vorzudringen.
Als am Freitag immer noch kein Brief im Kasten lag, rief Lisa an, um den Grund für die Verzögerung herauszufinden. Die Briefe gingen heute raus, hieß es. Die Person, mit der sie sprach, konnte ihr aber nicht sagen, ob sie den Job bekommen hatte.
Am Freitag abend rief sie den Yuppie an, erreichte jedoch nur den Anrufbeantworter, mit dem zu reden sie sich weigerte. Der Ball sollte am Samstag abend stattfinden. Am Samstag gingen Lisa und Dannys Mutter
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