Sie liebt mich, sie liebt mich nicht...
Ian erzählt die bescheuertsten Witze. Kennst du den von dem Mann mit der goldenen Toilettenschüssel?«
»Nein, ich will ihn auch nicht hören. Aber wenn du wirklich glaubst, daß dir so was Spaß machen kann — ich meine nicht nur für diesen sonnigen Vormittag —, also, es gibt da verschiedene Möglichkeiten. Du kannst eine richtige Ausbildung machen und in zehn Jahren vielleicht wie Onkel Jim einer eigenen Firma vorstehen. Als Selbständiger. Da kommt das große Geld her, Junge. Die Yuppies wollen immer was repariert oder ausgebaut haben. Den hab’ ich von Jim: Wie viele Yuppies braucht man, um eine Glühbirne zu wechseln? Zehn. Neun gehen in die nächste Bar, um das Problem zu diskutieren, und einer ruft den Elektriker an.«
»Ha-ha«, sagte Danny, »höchst amüsant. Bei Nacht könnte das glatt als Witz durchgehen.«
»Aber Tatsache ist doch, Danny-Junge, daß die Welt voller Kerle ist, die nicht mal wissen, wie man einen tropfenden Wasserhahn repariert. Ich könnte mal mit Jim reden, wenn du willst. Vielleicht kann er dir was vorschlagen.«
»Ja«, sagte Danny und kratzte sich mit einem Holzsplitter den Dreck unter den Fingernägeln hervor. »Interessieren würde es mich schon.«
»Ich werde sehen, was sich machen läßt.« Der Vater stand auf. »Oh! Verflucht, mein Rücken. Ich bin zu alt für diese Schufterei.«
»Was hast du gearbeitet?«
»Zement gemischt.«
»Weiter nichts?«
»Weiter nichts? Du Frechdachs!« Danny wich lachend einer nicht ernstgemeinten Ohrfeige aus, spürte eine Hand in den Kniekehlen und lag, alle viere von sich gestreckt, auf dem Schuttberg.
»Erwarte immer das Unerwartete«, meinte sein Vater. »Die Hand, die du siehst, tut dir nichts.« Danny stützte sich auf die Ellbogen. »Ist daheim wieder alles okay, jetzt, wo du arbeitest?«
»Wir waren die ganze Zeit über Freunde. Deshalb haben wir uns ja gestritten.«
»Bitte?«
Der Vater zuckte mit den Schultern. »Wozu sollte man sich mit jemandem streiten, den man nicht mag? Es ist, wie soll ich es erklären? Also, jemanden lieben heißt ja nicht, daß du immer ein Herz und eine Seele mit ihm sein mußt. Das Gute, das wirklich Gute an einer Ehe ist, daß du dabei du selber sein kannst. Wütend und traurig und alles andere,- verzweifelt, verletzt, aber alles innerhalb der Ehe. Verstehst du, was ich meine? Wenn deine Mutter und ich uns streiten, streiten wir innerhalb unserer Ehe, innerhalb unserer Liebe, wenn du so willst. Wenn man jemandem so nahe ist, so nahe, daß man sich auch eine Weile nicht mögen kann, dann ist das etwas ganz Großes. Eine Ehe, in der man sich nur mit Samthandschuhen anfassen kann, ist was ziemlich Laues, würde ich sagen.«
»Ich dachte, wenn zwei sich lieben, wären sie immer nett zueinander.«
Der Vater lächelte. »Wäre das nicht ziemlich langweilig? Kannst du dir vorstellen, dein Leben lang immer nur nett zu jemandem sein zu müssen, ob dir danach ist oder nicht? Nein, so ist die Liebe nicht, Liebe ist stärker, zumindest die Liebe, die deine Mutter und ich haben. Liebe ist wie..., wie«, er lachte, »wie ein schöner Teppich. Der kann auch eine Menge aushalten und bleibt trotzdem schön. Der kann es sogar aushalten, daß deine Mutter — gelobt seien ihre Wollsocken — plötzlich zum Hauptverdiener wird. Daß sie sich plötzlich meine Schuhe anzieht. Das Problem war nur mein verletzter Stolz. Stolz ist die schlimmste der sieben Todsünden, mußt du wissen. Das Gefühl, daß niemand mehr von mir abhängig ist, war schlimm. Ich kam mir nutzlos und überflüssig vor. Natürlich war ich weder das eine noch das andere, aber als ich meinen Job verlor, war plötzlich auch das äußere Zeichen meiner Männlichkeit weg, und das war mehr, als ich verkraften konnte.«
»Und was wäre passiert, wenn du den Job hier nicht bekommen hättest?«
»Daran mag ich gar nicht denken. Kannst du dir mich als Hausmann vorstellen?«
»Mit Schürzchen und Staubwedel, meinst Du? Nein. Du hast mir einen furchtbaren Schreck eingejagt, als du dich betrunken hast.«
»Ich mir selber auch. Wer verzweifelt ist, tut die unmöglichsten Sachen. Ich wollte nur eine Weile meine Ruhe haben, verstehst du? Nichts als meine Ruhe. Und ich wollte aufhören, immer im Kreis herum zu denken.«
»Und hat es funktioniert?«
»Nein.«
Danny setzte sich auf. »Ich weiß, was du meinst«, sagte er. »Was das Nicht-denken-wollen betrifft. Man will einfach aus seinem Kopf raus, und sei es bloß für eine kleine Weile. Mir geht es
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