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Sie nennen es Leben

Titel: Sie nennen es Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannah Pilarczyk
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statistische Analyse der Freundesliste ziemlich genau sagen, ob der User selbst auch schwul ist. Indirekt outeten sich die User über ihre Freundesliste also selbst.
    Mit einem ähnlichen Verfahren kam der US-Computerwissenschaftler Murat Kantarcioglu von der University of Texas der politischen Orientierung von Usern auf die Spur. Er wertete rund 167 000 Online-Profile nach drei Methoden aus. Die erste Methode bestand darin, persönliche Angaben aus dem Profil wie Lieblingsbands oder Gruppenzugehörigkeit auszuwerten. Die zweite Methode umfasste die Auswertung der Freundschaftslisten. Die dritte verband beide Methoden.
    In der Analyse erwies sich, dass sich anhand der ersten Methode relativ zuverlässige Vorhersagen über die politische Orientierung der User machen ließen. Die Auswertung der Freundschaftslisten war im Vergleich noch zuverlässiger. Die besten Ergebnisse erzielte insgesamt aber die dritte Methode.
    Wie viel man über seine Freundesliste über sich preisgibt, ist mittlerweile nicht nur neugierigen Wissenschaftlern bekannt, sondern auch zweifelhaften Organisationen. Der weißrussische Aktivist Pavel Lyashkovich musste das 2009 am eigenen Leib erfahren. Damals wurde der Student ins Büro des Dekan gerufen, wo ihn zwei Männer, die sich als Mitarbeiter des KGB ausgaben, zu seinen politischen Aktivitäten und dem Zustand der weißrussischen Opposition allgemein befragten. Ihr detailliertes Wissen in beiden Bereichen überraschte Lyashkovich– bis er sah, dass sie sein Profil aus dem beliebten russischen Social Network vkontakte.ru ausgewertet hatten. Lyahskovich war auf vkontakte.ru » friend « mit zahlreichen bekannten Oppositionellen.
    Auch bei größter Vorsicht, was man online postet oder verlinkt, verrät der Online-Freundeskreis also mehr, als einem womöglich lieb ist. Können es sich Jugendliche aber überhaupt noch leisten, nicht in Social Networks vertreten zu sein?
    Info-Management in Netzöffentlichkeiten
    Miriam wollte zuerst nicht zu SchülerVZ. » Ich will nicht immer erreichbar oder vernetzt sein « , sagt die 15 -Jährige. Dann drängelten ihre Freundinnen immer mehr und zogen sie damit auf, wie viel sie online verpassen würde. Vor zwei Jahren meldete sich Miriam dann doch an. » Seitdem hat es aufgehört mit dem Mobbing « , sagt sie. Die Realschülerin ist über den Tag verteilt drei bis vier Stunden im Internet. Seit sie zur Konfirmation ihren eigenen Laptop bekommen hat, muss sie endlich nicht mehr bei ihrer Mutter betteln, um an den Familien-PC zu dürfen.
    Den Druck, immer erreichbar zu sein, empfindet sie aber nach wie vor als störend. Im vergangenen Jahr hatte sie einen Freund, der wollte, dass sie dauernd » on « ist. Als sie wegen schlechter Noten Probleme in der Schule bekam, wurde es Miriam zu viel und sie machte mit ihrem Freund Schluss. Außerdem ging sie eine Klasse zurück. Heute sagt sie, dass sie wieder eine gute Balance zwischen Schule, Freunden und Internet gefunden hat.
    Miriams Beispiel zeigt, wie wichtig das Internet für die Pflege von Freundschaften und Beziehungen unter Jugendlichen geworden ist. Die Schule als sozialer Mittelpunkt ihres Lebens wird online erweitert. Was während des Unterrichts oder auf dem Pausenhof an Klatsch und Tratsch ausgetauscht wird, setzt sich nach Schulschluss in den Social Networks fort– und dort ohne zeitliche oder räumliche Beschränkung. Nicht » on « zu sein, heißt, einen Teil des Lebens zu verpassen.
    Mit wem Teenager im Internet befreundet sind, deckt sich zwar meist mit ihren realen Bekanntschaften. Und dennoch hat das Netz in Sachen Freundschaft für eine Revolution gesorgt. Neu ist nämlich, wie Jugendliche ihre Freundschaften online leben und pflegen. Social Networks bieten dafür eine Reihe von neuen Ausdrucksmöglichkeiten, die von Freundschaftsanfragen über Freunde-Rankings bis zu Botschaften auf der » Pinn « rangieren.
    Für Jugendliche ist es besonders wichtig, dass sich diese Vorgänge öffentlich vollziehen. Was online passiert, findet nämlich nicht mehr in abgeschlossenen Kreisen statt, zwischen einem Pärchen, zwei Freunden oder in einer überschaubaren Clique. Online sind sie für eine unübersichtliche Netzöffentlichkeit einsehbar und verfügbar. Nichts ist mehr einfach dahergesagt– ein Pinnwand-Posting oder eine E-Mail können im Internet jede Freundschaft

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