Sie nennen es Leben
an Informationen zum Thema Sex zu kommen, könnten tschechische Kinder und Jugendliche deshalb verstärkt auf das Internet zurückgreifen.
Wie würden Sie das kulturelle Umfeld in Deutschland beschreiben?
Tatsächlich konnten wir keine kontinuierlichen Unterschiede zwischen den Ländern feststellenâ eher Wellen, in denen öffentliche Diskussionen verlaufen und bestimmte Themen wie Gewalt in Computerspielen vorübergehend sehr wichtig werden. Insgesamt haben wir in Deutschland aber eine besorgte Umgebung. Eltern neigen hier dazu, die Häufigkeit, mit der Kinder negative Erfahrungen im Internet machen, zu überschätzenâ sie glauben zum Beispiel, dass ihre Kinder mehr als doppelt so häufig mit sexuellen Inhalten in Berührung kommen, als dies tatsächlich der Fall ist. Ganz anders Ãsterreich: Hier unterschätzen Eltern die Risiken eher.
Sie haben eingangs gesagt, dass junge User in Deutschland die Chancen des Internets zu wenig nutzen. Was müsste passieren, damit sie dieses Potenzial besser ausschöpfen?
Eine MaÃnahme ist es, bei den Eltern anzusetzen und sie besser über Chancen und Risiken des Internets aufzuklären. Leider gibt es noch zu viele Erwachsene, denen das Internet so fremd ist, dass sie hauptsächlich mit Verboten operieren. In einem unserer Interviews für » EU Kids Online « sagte ein Junge, seine Eltern hätten ihm Social Networks erst ab 16 Jahren erlaubt. Da beschneiden Eltern eine Technik, die für Jugendliche heutzutage sehr wichtig ist, um sich in ihrer Peer-Group zu orientieren. Einen besseren Ausgleich zwischen den Sorgen der Eltern und den Bedürfnissen der Kinder zu finden, ist deshalb schon ein wichtiger Schritt.
Gibt es ein europäisches Land, in dem die Balance zwischen Online-Risiken und -Chancen besonders gut gelingt und an dem sich Deutschland orientieren könnte?
Nein, das Paradies gibt es nicht. Mit mehr Chancen sind immer auch mehr Risiken verbunden. AuÃerdem lassen sich Erfahrungen und Entwicklungen innerhalb eines Landes nicht einfach auf andere Länder übertragen.
Warum nicht?
Weil nationale Internet-Kulturen sehr komplex sind. Es macht immer noch einen Unterschied, ob ein Kind in Irland, Spanien oder Deutschland aufwächst und online geht. Die Eltern sind anders, die weiteren Medienangebote sind anders, das Schulsystem ist anders. Da spielen auch viele historische Faktoren mit hineinâ etwa ob sich das Internet über Schulen und Bibliotheken verbreitet hat oder über kommerzielle Anbieter. Das hat starken Einfluss darauf, welchen Stellenwert das Medium innerhalb des Landes hat. So macht sich letztlich jede Gesellschaft das Internet, das sie braucht.
6. Sexualität online â Die »Generation Porno« und die Kultur der Schlüpfrigkeit
Wenn man Vivian fragt, ob sie schon einmal zufällig auf Pornobilder im Internet gestoÃen ist, sagt sie Nein. Sie darf unter der Woche nur eine halbe Stunde täglich an den Computer. Die 14 -Jährige liebt Social Networks und verbringt ihre knappe Zeit online fast ausschlieÃlich auf SchülerVZ oder Facebook. Auf Anraten ihrer Mutter hat Vivian ihr Profil so eingestellt, dass nicht ihr wirklicher Name, sondern ein leicht abgeänderter Username samt zwei Herzen online erscheint. Auf ihrem Profilfoto ist die Gesamtschülerin mit ihrer besten Freundin zu sehen, doch man kann sie darauf nicht erkennen, weil ein Farbfilter das Bild verändert.
Wie so viele Jugendliche bewegt sich Vivian nur selten auÃerhalb der Social Networks im Internet. Erst später, als das offizielle Interview schon vorbei ist und Vivian mit ihren Eltern am Wohnzimmertisch sitzt, erwähnt sie, dass sie schon öfter im Internet auf masturbierende Männer gestoÃen ist. Passiert ist ihr das mit ihrer besten Freundin beim Chatprogramm Omegle, bei dem man anonym einem Partner zum Textchat oder Videochat zugelost wird. Ihre Mutter hört erschrocken zu, als Vivian erzählt, wie beim Videochat plötzlich Männer mit entblöÃtem Geschlecht auf dem Bildschirm auftauchten. Kurz, sagt Vivian, waren sie irritiert. Dann klickten sie den Button, mit dem man einen neuen Chatpartner zugewiesen bekommt, und warteten gespannt auf den nächsten Kandidaten.
Sex und der Aufstieg des Internets sind untrennbar miteinander verbunden. Ohne die leichte Verfügbarkeit von Sex-Websites hätte sich das Internet im Verlauf der 90 er Jahre wohl kaum
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