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Sie nennen es Leben

Titel: Sie nennen es Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannah Pilarczyk
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Bildungsunterschiede zusammen mit dem Prinzip der Homophilie die Internetnutzung strukturieren und einschränken. Ansonsten überzeugt die Analyse von Hasebrink und Paus-Hasebrink, spiegelt sie doch die beiden Nutzungsmuster des Internet– Information und Kommunikation– wider. Im Bereich des Politischen soll das Internet einerseits als Informationsmedium, andererseits als Mobilisierungsinstrument dienen.
    Diese Einteilung ist nicht nur theoretisch: Aus dem ersten Ansatz, der Information, heraus sind Projekte wie Indymedia oder Global Voices entstanden. Sie wollen Alternativen zur Berichterstattung der Mainstream-Medien bieten und setzen auf Bürgerjournalismus jenseits der klassischen Themen und Länder. Aus dem zweiten Ansatz, der Mobilisierung, heraus wurden Portale wie Campact oder MoveOn entwickelt. Sie wollen die Unterstützer von linker Politik mittels E-Mails und Unterschriftenaktionen aktivieren.
    Auf Deutschland übertragen, muss man aber festhalten: Beide Ansätze bringen wenig bis gar nichts.
    Fußballticker statt Politiknachrichten
    Juri ist Mitglied in mehreren privaten Diskussionsforen, für die man eine persönliche Einladung braucht. Dort diskutiert der 16 -Jährige vor allem über seine zwei Interessenschwerpunkte Technik und Politik. Als Mitglied einer Jugendgruppe von ATTAC, dem globalisierungskritischen Netzwerk, steht Juri politisch klar links. Außerdem hat der Gymnasiast die Zeitungen » taz « und » Freitag « abonniert, bei der » taz « ist er sogar Genosse. » Ich finde ihre Berichterstattung differenzierter « , sagt er.
    Sein Wissen über Technik hat sich Juri selbstständig erarbeitet. » Erst wollte ich nur wissen, wie ein Blog funktioniert « , sagt er. » Dann habe ich versucht, mir zu erklären, wie HTML funktioniert. « Mittlerweile fragen ihn sowohl seine Mitschüler als auch seine Eltern, wenn sie ein Problem mit ihrem Computer haben. Die Schnittstelle von Technik und Politik bewegt Juri besonders. » Facebook wird dämonisiert « , sagt er zum Streit um die Datensicherheit bei dem Social Network. Die Kritik von Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner an Facebook hält er für ein Ablenkungsmanöver. » Projekte wie der biometrische Ausweis oder Elena (das elektronische Einkommensnachweissystem) sind doch datenrechtlich viel fragwürdiger. «
    Juri ist die Art von User, die Politikern, Aktivisten und Forschern wahrscheinlich vorschwebt, wenn sie über das aufklärerische Potenzial des Internet sprechen. Mit seiner Datenfülle lädt das Netz sowohl zum Sammeln und Vergleichen als auch zum Neuordnen und Verbreiten von Informationen ein. Medienkompetente User werden demnach zu kritischen Bürgern.
    Tatsächlich nutzen Jugendliche das Netz aber nur in den seltensten Fällen zum Informieren. Fragt man Vivian, auf welchen Websites man sich allgemein informieren könnte, muss sie länger überlegen. » Hat ›Galileo‹ nicht auch eine Seite? « , fragt sie schließlich. » Galileo « ist eine Wissenssendung auf ProSieben. Wenn Chiara mal außerhalb von SchülerVZ im Netz unterwegs ist, sieht sie sich vor allem die Websites der Modeketten » H&M « und » Pimkie « an. Auch Dominik sucht nicht im Netz nach Nachrichten. » Mein Vater hat mir ›Zeit Online‹ als Startseite eingerichtet « , sagt er. » Da kriege ich dann mit, was aktuell so passiert. « Ansonsten liest er keine News-Websites– außer wenn die Ergebnisse der Fußball-Bundesliga da sind.
    Dass sich die Jugendlichen nicht im Internet informieren, heißt aber nicht, dass sie nichts vom Weltgeschehen mitkriegen. Dominik blättert beim Frühstück durch » taz « und » Zeit « und was seine Eltern sonst noch auf dem Essenstisch liegen haben. Vivian sieht jeden Abend mit ihren Eltern die » Tagesschau « . Chiara hört morgens beim Frühstück die Nachrichten im Radio.
    Damit entsprechen die drei dem typischen Mediennutzungsverhalten. Nach einer Studie der Soziologin Franziska Wächter beziehen rund zwei Drittel aller jungen Deutschen zwischen 15 und 25 Jahren Informationen zur Politik vor allem aus dem Fernsehen. Zeitungen liegen mit 16 Prozent auf dem zweiten Platz, dicht gefolgt vom Radio ( 13 Prozent). Völlig abgeschlagen ist dagegen das Internet: Es wird nur von vier Prozent der Befragten für die Recherche zu politischen Themen

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