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Sie nennen es Leben

Titel: Sie nennen es Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannah Pilarczyk
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    Für die USA kamen die Forscher Peter Levine und Mark Hugo Lopez zu dem Schluss, dass sich das Internet sogar noch weniger als die klassischen Medien dazu eignet, politisch desinteressierte junge Menschen zu aktivieren. Sehr effektiv hingegen wäre das Netz dabei, die bereits Interessierten zu mobilisieren.
    Trotzdem hält sich die Überzeugung, dass das Internet zur Politisierung von Jugendlichen beiträgt. Das hat vor allem mit Barack Obamas erfolgreichem Wahlkampf für die US-Präsidentschaftswahl 2008 zu tun. Sie gilt vielerorts als der Maßstab für moderne Wahlkampfführung, so klug setzte sein Team die digitalen Medien ein. Der Kandidat war auf Facebook und schickte E-Mails, kommunizierte auf den Kanälen, auf denen auch junge Wähler kommunizieren, und erreichte sie damit direkt. Doch das tat vier Jahre vor Barack Obama auch schon Howard Dean– nur mit sehr viel weniger Erfolg.
    Â»Die schwierigste, demütigendste Sache der Welt«
    Es sah richtig gut aus für Howard Dean. Der Bewerber um die Präsidentschaftskandidatur der US-Demokraten 2004 hatte überaus enthusiastische Unterstützer, die zudem gewandt im Umgang mit den neuen Medien waren. Sie verschickten Hunderttausende E-Mails, organisierten Informationsabende online und warben Spenden in Rekordhöhe übers Internet ein. Die Reaktionen der Bürger auf die Kampagne waren jedes Mal dieselben: Neugier, Begeisterung, Hoffnung. Der Kandidat war klar gegen den schwer in die Kritik geratenen Präsidenten George W. Bush positioniert, er stand als Herausforderer für den längst überfälligen Neubeginn und lag in den Umfragen meilenweit vor seinen Mitbewerbern um die demokratische Kandidatur. Doch dann verlor er die Vorwahlen in Iowa und kurze Zeit später in New Hampshire. Von da an ging es mit Howard Deans Kampagne nur noch bergab. Am Ende hatte er nur eine einzige Vorwahl gewonnen und musste John Kerry die Kandidatur gegen George W. Bush 2004 überlassen. Was war geschehen?
    Â» Was bei Deans Kampagne den Ausschlag gegeben hat, war Dean selbst « , schreibt der US-Medienwissenschaftler Clay Shirky. » Wir können noch so viel über den Einsatz von Internet-Werkzeugen reden, am Ende war Dean selbst der entscheidende Faktor bei den Niederlagen. « Shirky gehörte selbst zu den enthusiastischen Dean-Unterstützern, die glaubten, er hätte die Präsidentschaftskandidatur in der Tasche. Nachdem Dean in den Vorwahlen verloren hatte, schrieb sich Shirky seinen Frust in dem Aufsatz » Exiting Deanspace « von der Seele.
    Gnadenlos geht Shirky dabei mit dem Irrglauben der Dean-Unterstützer– und damit seinen eigenen Fehleinschätzungen– ins Gericht. » Unterstützung bringt keine Wählerstimmen. Begeisterung bringt keine Wählerstimmen. Anstrengung bringt keine Wählerstimmen. Geld bringt keine Wählerstimmen « , schreibt er. Was wirklich Wählerstimmen bringe, sei » die schwierigste, demütigendste Sache der Welt. Du musst jemanden dazu bringen, seine Meinung zu ändern. « Am Ende lautet das ernüchterte Resümee des Internet-Fans: » Das Internet funktioniert in der Politik nur als Hebel, nicht als Hammer. «
    Kein Vertrauen in Banken und Parteien
    Gibt es also keinen effektiven Weg, junge Menschen übers Internet für politische Parteien und Wahlen zu interessieren? Falsche Frage, sagt– stellvertretend für viele– der britische Soziologe Neil Selwyn. Nicht die Wege müssten überdacht werden, sondern die Ziele. Jugendliche hätten sich nämlich nicht per se von der Politik abgewandt. Sie interessierten sich nur nicht mehr für den klassischen Parteienstaat.
    Diese Einschätzung stützen auch die Ergebnisse der aktuellen Shell-Jugendstudie. Das Interesse an Politik unter jungen Menschen zwischen 15 und 24 Jahren ist demnach seit 2002 leicht angestiegen, nämlich von 34 auf 40 Prozent. Besonders groß ist die Dynamik bei den Jüngsten: Bei den 12 - bis 14 -Jährigen hat sich das Interesse binnen der vergangenen acht Jahre mit 21 Prozent fast verdoppelt. Bei den 15 - bis 17 -Jährigen stieg es um 10 Prozentpunkte auf 33 Prozent. Dieser Anstieg ist besonders relevant, da unabhängig vom Zeitgeist mit zunehmendem Alter das Interesse an Politik generell zunimmt. Je näher die Volljährigkeit und damit das Wahlrecht rückt, desto stärker nehmen Jugendliche ihre Rolle als politische

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