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Sie sehen aber gar nicht gut aus!

Sie sehen aber gar nicht gut aus!

Titel: Sie sehen aber gar nicht gut aus! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Strzoda
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fern. Sein Tag hatte schon miserabel begonnen, und das hatte seinen Höhepunkt gegen 13 Uhr gefunden, als er per SMS erfahren hatte, dass er ab jetzt Single sei. Er konnte nicht damit umgehen. Seine Kompensationsstrategie: Bleifuß am Steuer. Sein Auto brummte willig, als er den Zündschlüssel drehte und seinem Schicksal entgegensteuerte. Rockantenne 93,4 – »No Leaf Clover« von Metallica hämmerte aus den Boxen. Nomen est omen.
    Um genau 14.15 Uhr begegneten sie sich auf der Allee­straße in der Nähe des Baches. Bernd fuhr viel zu schnell und war nicht in der Lage, seine Spur zu halten. Die Cops sahen, wie der blaue Wagen auf die scharfe Kurve zusteuerte. Bernd hatte fast keine Chance, einen Unfall zu vermeiden, obwohl er sein ganzes Gewicht in das Lenkrad hängte. Dann ein Schrei, der in dem Überschlag des Autos erstickte, das auf dem Dach entlangschlitterte und in den Bach rutschte. Bernd Merten befand sich mit dem Kopf unter Wasser. Ich hätte mir in diesem Moment an Bernds Stelle gewünscht, mein Haus an diesem Morgen nicht verlassen zu haben.
    Sekunde 70.
    Düstere Schlieren, vermischt mit bleierner Schwere und der Kälte des Wassers, konsolidieren sich zu einem nassen Mantel, der Bernd wie auf den Leib geschneidert zu sein scheint. Hustenreiz lässt gütiges Adrenalin in die Blutbahn fließen, das die Qual portioniert.
    Sekunde 60.
    Die Muskulatur am Hals und in der Brust verhärtet. Die Orientierung wird wattig und zäh. Bernd tastet nach dem Gurtschnapper, der für ihn verborgen bleibt. Er wird sich gegen den Drang des Einatmens nicht mehr lange wehren können.
    Sekunde 50.
    Die Bewegungen werden hektischer und unkontrollierter. Bernd reißt den Kopf herum und schlägt ihn gegen die Seitenscheibe, die unerträglich intakt ist. Er kann sich dem Kommenden nicht mehr lange entgegenstemmen. Ständig verbraucht er damit mehr Sauerstoff und erreicht immer weniger.
    Sekunde 40.
    Die Bewegungen werden langsamer, Kälte schwindet aus den Gliedern. Die finstere Umgebung verliert sich in der Unschärfe des Baches, die letzten Luftblasen entsteigen Bernds Lunge.
    Sekunde 30.
    Die Impulsübertragung der elektrischen Signale am Herzen verliert an Geschwindigkeit. Die Herzfrequenz sinkt stetig.
    Sekunde 20.
    Bewegungen werden nur noch durch den zarten Fluss des Wassers erzeugt. Die Muskelspannung ist lediglich im Bereich der Atemmuskulatur vorhanden. Im Hirn startet das bunte Bilderkino. Kindheit, Kindergarten, Jugend. Der erste handfeste Streit mit den Eltern, weil diese Bernd einen Ausflug verweigert hatten. Er hatte sie damals dafür gehasst, jetzt tut ihm das unendlich leid. Und die SMS einer winkenden, langsam verblassenden Frau.
    Sekunde 10.
    Bernd betritt einen weißen Raum, der immer heller zu werden scheint. Graue erlösende Bewusstlosigkeit blendet den Raum aus, der zu einem immer winziger werdenden Punkt im Schwarz zusammenschrumpft. Bernd bekommt nicht mehr mit, wie das Wasser seine Atemwege und die Lunge flutet.
    Sekunde 0.
    Herzstillstand. Ab diesem Zeitpunkt läuft die Zeit gegen Bernd Merten, dessen Chancen sekündlich sinken, das Bewusstsein je wiederzuerlangen.
    Die Reifen des Polizeifahrzeugs hinterließen schwarze Bremsspuren auf dem Asphalt. Das Fahrzeug kam ruckartig zum Stehen. Ein Cop sprang in das eiskalte Wasser und versuchte, sich einen Weg in das Fahrzeuginnere zu bahnen, was ihm jedoch nicht gelang.
    Der andere Polizist lief in ein nahe gelegenes Waldstück auf den Gabelstapler zu, dessen Besitzer es sich kurz zuvor mit seinem Kaffee und einer Brotzeit gemütlich gemacht hatte. Auch er hatte den Unfall mitbekommen.
    »Polizei. Ich brauche Ihren Stapler«, rief der Cop und winkte mit seinem Ausweis. Der Staplerbesitzer hatte keine Zeit, irgendetwas dazu zu sagen.
    Keine zwei Minuten später setzte er den Gabelstapler an der Karosserie des blauen Wagens an und versuchte, das Fahrzeug aus dem Bach zu wuchten. Immer wieder rutschte er von den Gabelträgern ab und fiel zurück in den Bach. Irgendwann hielt der Wagen endlich an den Trägern. Die Polizisten konnten die Tür öffnen und Bernd befreien.
    Kein Puls. Keine Atmung. Keinerlei Bewusstsein. Bernd lag nass auf der Wiese neben dem Bach und seinem Auto. Ein Cop zerriss Bernds Hemd und suchte den Druckpunkt.
    Lenny hatte seine Klamotten bereits zum zweiten Mal gewechselt. Dank des grottigen Wellblechs kochten wir in der Wache bei Innentemperaturen von mehr als 30 Grad im eigenen Saft. Kein Lüftchen ließ sich dazu herab, durch unsere

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