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Sie sehen aber gar nicht gut aus!

Sie sehen aber gar nicht gut aus!

Titel: Sie sehen aber gar nicht gut aus! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Strzoda
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Schlimmste.
    »Meine Herren, Sie werden zu einem unklaren Kindernotfall gerufen. Tun Sie etwas.« Der Prüfer zog einen Mundwinkel dezent nach oben. »Jetzt mache ich euch fertig«, stand ihm deutlich sichtbar ins bartstoppelige Gesicht geschrieben. Eine junge Mimin hielt das kleine, mit einem hellblauen Body bekleidete Ding aus Plastik im Arm. Sie schrie, als wäre ihr gerade der Gashebel ihres Motorbootes abgebrochen, und das Geschoss steuerte ungebremst auf die Niagarafälle zu. Zuerst musste also die hysterische Darstellerin davon überzeugt werden, dass nur wir in diesem Moment das Beste für ihr Kind waren. Ich redete auf sie ein wie auf einen kranken Hund. Nach kurzer Zeit drückte sie mir endlich die Plastikpuppe in die Hand.
    Body aufreißen, EKG-Elektroden dran, Beatmungsbeutel mit der Maske der Minigröße »Doppelnull« und Sauerstoff. Beatmungsfilter vergessen – Scheiße. Herzdruckmassage beginnen, einen Fingerbreit unterhalb der Linie, die beide Brustwarzen miteinander verbindet – der Intermammilarlinie. Ach ja – Säuglinge kühlen unwahrscheinlich schnell aus. Schnell den Wärmeerhalt mittels einer Decke anlegen und das speziell für Säuglinge gebaute Absauggerät bereitstellen. Nicht zu vergessen: das Buch aus dem Regal, auf das wir den Säugling legen mussten, um die perfekte, im Gegensatz zu einem Erwachsenen ganz leicht überstreckte Kopfposition zur optimalen Beatmung zu erhalten. Ich teilte dem Prüfer noch mit, dass ich den Notarzt nachalarmieren würde. Er nickte.
    »Was können Sie beide jetzt noch Sinnvolles unternehmen?« Der Prüfer hatte die Lippen gespitzt und fixierte irgendetwas auf seinem Block, den er während unseres simulierten Einsatzes vollgekritzelt hatte. Leuchti brachte nur ein bedeutungsvolles »hmmm« hervor. Unsicherheit machte sich breit. Es war doch bisher ganz gut gelaufen. Was konnten wir nur vergessen haben?
    »Danke. Das war’s«, meinte der Prüfer dann lächelnd und schickte uns fort, ohne uns noch eines Blickes zu würdigen.
    Leuchti und mir war elend zumute. Wir waren uns sicher, dass wir es vergeigt hatten. Als uns die Kommission schließlich hineinzitierte, teilte uns einer der Ärzte mit, dass wir es geschafft hätten. Ich grinste debil und hörte den »herzlichen Glückwunsch« nicht, der im Rausch meiner Glückseligkeit einfach unterging. Prüfling Strzoda hatte bestanden.
    Sechs Wochen später lag meine »Pappe« in meinem Briefkasten – die Urkunde und die Legitimation zum Führen der Berufsbezeichnung »Rettungsassistent«. Das eigentliche Lernen fürs Retterleben konnte somit endlich beginnen.
    Als frischgebackener Rettungsassistent stand ich im Jahr 1996 also auf einmal mitten im Berufsleben, hatte keinen Plan und war verantwortlich für die Kranken, die mir täglich begegneten. Eine frühe Patientin war Frau Schmidt. Zusammen mit einem ebenfalls unerfahrenen Zivi wurde ich mit ihrem Krankentransport beauftragt und sollte sie in die interne Abteilung des Krankenhauses in unserem Ort befördern. Frau Schmidt hatte drückende Brustschmerzen, die sich über die rechte Brustkorbseite bis in den Rücken zogen. Eine Einweisung eines niedergelassenen Arztes lag vor. Ich las etwas über eine Facettenarthrose – eine schleichende Abnutzung der kleinen Zwischenwirbelgelenke, die zu Rückenschmerzen und Muskelverspannungen führen kann. Frau Schmidt war angekleidet, hatte alles Nötige gepackt und klagte, dass sie die Schmerzen bereits seit den frühen Morgenstunden habe. Ich bat sie, sich nochmals zu entkleiden, da ich gerne ein EKG schreiben wollte. Die automatische Diagnose auf dem rosafarbenen Streifen hieß: ***VERDACHT AUF AKUTEN HERZINFARKT*** – **UNBESTAETIGT**. Allerdings konnte ich dank der vorzüglichen Ausbildung meiner damaligen Rettungsdienstschule mit den tollen Linien auf buntem Papier absolut nichts anfangen. Sie sahen hübsch aus, sagten mir aber gar nichts. Man hatte mir auch während meiner Ausbildung oft genug geraten, dieses Geschreibe am besten zu ignorieren. Schließlich würden sich diese dummen Geräte ständig irren. Und »unbestätigt« hieß sowieso erst mal gar nichts. Dass das Gerät damit lediglich darauf hinwies, dass diese Verdachtsdiagnose durch medizinisches Fachpersonal »bestätigt« werden sollte, war mir nicht klar. Ich entschloss mich also, dem Ding keinerlei Beachtung zu schenken, ließ die Dame sechs Stockwerke zu Fuß nach unten laufen und kassierte in der Krankenhausambulanz den monumentalsten Generalanschiss

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