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Sie sehen aber gar nicht gut aus!

Sie sehen aber gar nicht gut aus!

Titel: Sie sehen aber gar nicht gut aus! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Strzoda
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Kennzeichen – wohl aus der nahe gelegenennen Großstadt. Klar – es war Sonntag, an dem die Großstädter ihr Fahrzeug Gassi fahren oder mal eine andere Landschaft sehen wollen. Durch die Heckscheibe erspähte ich das berühmte gehäkelte Klorollenhütchen nebst Wackeldackel. Der Kopf des dunkelbraunen Filzköters schwabbelte hin und her, als hätte man ihm einen Nagel ins Kleinhirn gerammt. Völlig grundlos nahm der Fahrer des Wagens stakkatoartig Bremsmanöver vor und brachte Lenny und mich damit zur Weißglut.
    Dann waren sie da: der Einsatz und die Gelegenheit, sich würdig von dem Methusalem zu verabschieden. Fernlicht, die blauen Strobo-Blitzer und das Einsatzhorn gleichzeitig aktiviert. Erst nach links, dann nach rechts und dann wieder nach links – der Alte konnte sich einfach nicht entscheiden, wohin er ausweichen sollte und welches Lenkmanöver zu diesem Anlass angemessen erschien. Warum fuhr er nicht einfach zur Seite? Keine Ahnung, aber nach einem weiteren Kilometer Verfolgungsjagd erledigte sich das Problem von selbst. Dort kam ihm nämlich die rettende Idee, eine zielgenaue Vollbremsung frontal in Richtung der einzigen Verkehrsinsel dieser Straße durchzuführen, was dem armen Kerl sicherlich eine verbogene Spurstange und eine Inanspruchnahme des ADAC eingebracht haben dürfte. Sehr ärgerlich dürfte für den Opa zudem gewesen sein, dass wir kurz vor Erreichen dieser Verkehrsinsel ohnehin links abbiegen mussten. Aber wenigstens hatte er versucht, auf die Seite zu fahren und uns Platz zu machen. Das ist mehr, als man von so manch anderem behaupten kann.
    Und irgendwann war er da, der Tag, an dem es knallte, weil ein Autofahrer einfach gar nichts überriss. Zusammen mit einem Klinikarzt führten wir einen Notfalltransport in eine städtische Klinik der Maximalversorgung durch. Der bereits intubierte und maschinell beatmete Patient hatte eine ausgedehnte Blutung im Gehirn, es bestand akute Lebensgefahr. Die große Kreuzung war in Sichtweite, das Martinshorn angeschaltet. Kurz vor Erreichen der Stelle zeigte unsere Ampel rot. Lenny bremste stark ab und vergewisserte sich, dass uns der Querverkehr wahrgenommen hatte und stehen geblieben war. Dann fuhr Lenny in die Kreuzung ein und beschleunigte wieder – wir hatten es ja eilig, den Patienten ins Krankenhaus zu bringen.
    Nur einem einzigen Verkehrsteilnehmer war der Sinn des Ganzen offenbar verborgen geblieben. Zeugen berichteten später, der Fahrer des hellblauen Wagens habe die Schlange, in der er sich ganz hinten befunden hatte und die sich gebildet hatte, weil die Autos extra für uns stehen geblieben waren, auf der Gegenspur überholt. Dann war er in die Kreuzung eingefahren und uns in die Flanke gedonnert. Lenny erschrak durch den Aufprall und riss am Lenkrad. Der Rettungswagen kippte, knallte auf die Seite und rutschte noch einige Meter auf dem Asphalt entlang. Plastikteile und ein Außenspiegel flogen durch die Gegend. Auch die Frontscheibe des hellblauen Wagens war geborsten und die Motorhaube einen halben Meter kürzer. Rauch trat aus, vermutlich war irgendwo ein Kühlerschlauch geplatzt. Dann herrschte einige Sekunden lang Stille, bis Menschen herbeiliefen, um uns zu helfen und die Leitstelle zu benachrichtigen.
    Der Arzt lag verletzt hinter dem Begleiterstuhl in der Ecke und blutete am Kopf. Der Beatmungsschlauch hatte sich vom Tubus des Patienten gelöst. Ich kam in der anderen Ecke zu mir. Nichts schien mehr an seinem Platz zu sein. Das EKG und das Beatmungsgerät waren aus der Wandhalterung gerissen, Schubladen standen offen, alles war verstreut. Der Patient hing in seinen Gurten und war durch die fehlende Beatmung blau angelaufen. Lenny stieg durch die Hecktür ein, da der RTW auf der seitlichen Schiebetür lag.
    »Seid ihr verletzt?«, fragte er besorgt. »Ich hab den Typen nicht kommen sehen!«
    »Ich bin okay. Doc? Alles klar?«
    »Ja, alles gut«, antwortete dieser und schnappte sich den Beatmungsbeutel. Durch das ärztliche Eingreifen gewann der Patient wieder etwas an Farbe. Dann kamen von überall her Rettungsfahrzeuge angefahren. Eine Besatzung half uns zusammen mit Kollegen von der Feuerwehr, den Patienten in einen anderen RTW zu bringen.
    Während wir von den anderen Rettern versorgt wurden, sah ich den Unfallverursacher an einem Streifenwagen stehen und sich um Kopf und Kragen reden. Der Polizist schien zornig. Die Zeugenaussagen sprachen eindeutig gegen den Unfallverursacher. Auch das einige Monate später gefällte Urteil

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