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Sie sehen aber gar nicht gut aus!

Sie sehen aber gar nicht gut aus!

Titel: Sie sehen aber gar nicht gut aus! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Strzoda
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hatte. Einen Notarzt brauchten wir aber trotzdem, da der Mann Medikamente gegen den Wespenstich erhalten musste.
    »Eine Wespe hat mich in die Schulter gestochen. Ich wusste bisher nicht, dass ich allergisch gegen Wespen bin.«
    »Haben Sie sonst irgendwelche Vorerkrankungen oder bekannte Allergien, Herr ...«
    »... Adamski. Ich habe eine Gräserallergie und nehme regelmäßig Fenistil.«
    »Haben Sie Atemnot?«
    »Anfangs war es schlimmer. Jetzt spüre ich nichts mehr davon.«
    Alles bestens. Die Atemnot war verschwunden, der Ausschlag zwar ärgerlich und nicht besonders hübsch, aber ungefährlich. Herr Adamski stieg in unseren Rettungswagen ein, und während Lenny einen venösen Zugang legte, schickte ich die Helfer der Sanitätswache fort. Sie hatten ihren Job gut gemacht.
    Eine allergische Reaktion wird in vier Stadien eingeteilt. Zunächst kommt es zu Juckreiz und Quaddeln. Dann folgen Atembeschwerden, Schwellungen und ein Absinken des Blutdrucks. Ab dem dritten Stadium wird es gefährlich. Beim Patienten setzen bedrohliche Atemnot und Bewusstseinsstörungen ein, zu denen sich im weiteren Verlauf ein anaphylaktischer Schock gesellt. Dabei erweitern sich die Blutgefäße. Wasser lagert sich im Gewebe ein, der Blutdruck fällt ab, der Puls wird flach. Richtig unangenehm wird es im vierten Stadium – es kommt zum Herz-Kreislauf-Stillstand.
    Ich übergab die medizinische Lage an den Notarzt. Dessen Anweisung an uns war eindeutig: Herr Adamski sollte eine Ampulle des für ihn nicht unbekannten Fenistils und eine Ampulle Kortison gegen seine Allergie erhalten.
    »Herr Adamski, es wird Ihnen gleich besser gehen. Die Medikamente sind hervorragend und wirken wie der Teufel«, scherzte ich. Doch Herr Adamski verlor plötzlich jegliche Gesichtsfarbe.
    »Herr Adamski?« Lenny schmiss das Blutzuckermessgerät aus der Hand. »Herr Adamski!«
    »Was ist los?« Der Notarzt war sichtlich verwirrt.
    »Ich ... krieg ... keine ... Luft!« Herr Adamski griff sich an den Hals. »Helft mir. Luft ...« Sein Gesicht schwoll in Sekundenschnelle an, und er begann zu röcheln.
    »Das Kortison ...« Der Notarzt stockte und sah die leere Ampulle an.
    »Luft ...« Herr Adamski sank in sich zusammen und lief blau an. Wir packten ihn und zogen seine rund 90 Kilogramm Gewicht auf unsere Trage. Jetzt sagte er nichts mehr und schnappte nur noch nach Luft.
    »Herr Adamski? Verdammt, er reagiert nicht! Was zum Teufel passiert hier gerade?«, fragte ich, griff den Beatmungsbeutel und schloss den Sauerstoff an.
    »Ich fürchte, er reagiert hochallergisch auf das Kortison«, antwortete der Notarzt.
    Kortison ist eigentlich ein sehr wirksames Medikament, das unter anderem oft und gerne bei allergischen Reaktionen eingesetzt wird. Wie alle Medikamente kann aber auch dieses mit sehr geringer Wahrscheinlichkeit eine allergische Reaktion auslösen. Und bei einem Mittel, das eigentlich gegen eine allergische Reaktion eingesetzt wird, ist das besonders blöd.
    Herr Adamskis Blutdruck lag bei 90 zu 60, der Puls bei 140 Schlägen pro Minute. Er rutschte in einen massiven allergischen Schock. Wir gaben ihm Adrenalin und weitere Medikamente, die der Misere entgegenwirken sollten, aber nichts wirkte. Der Blutdruck sank weiter, die Herzfrequenz stieg. Eine bislang völlig harmlose Situation drohte völlig zu entgleisen.
    Seit der Injektion des Kortisons waren gerade einmal vier Minuten vergangen. Der Blutdruck war nicht mehr messbar, das Adrenalin versagte seine Wirkung.
    »Und jetzt?«
    »Der Druck. Wie ist der Druck?«, fragte der Notarzt.
    »Nicht messbar.« Lenny begann mit der Herzdruckmassage.
    »Was sagt das EKG?«
    »Nichts mehr. Nulllinie.« Ich starrte ungläubig auf das EKG und drückte den Beatmungsbeutel. Der Brustkorb des Mannes hob und senkte sich wieder. Lenny meldete der Leitstelle eine Reanimationssituation. Das konnte einfach nicht wahr sein.
    Nach nur fünf Minuten schien die Situation gänzlich aussichtslos. Keine unserer Maßnahmen wirkte, kein Medikament führte zu irgendeinem Effekt, das EKG zeigte keinerlei Regung. Und wir waren es auch noch gewesen, die Herrn Adamski das Gift in die Vene gespritzt hatten. Aber diesen Verlauf hatte niemand von uns ahnen können. Ich hätte selbst bis zu diesem Zeitpunkt eine derartige Reaktion niemals für möglich gehalten.
    Herr Adamski starb knapp eine Stunde nach Gabe des Kortisons absolut unerwartet im Krankenhaus an einer völlig profanen Kortisoninjektion. Bis dahin hatten wir alle unser Bestes

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