Sie sehen aber gar nicht gut aus!
Kollegen können einem in diesem Zusammenhang das Leben extrem schwer machen. Ein beliebtes Spiel bei akuter Langeweile ist das durch den konsumierenden Retter unbemerkte Verfeinern des Kaffees mit Lasix. Lasix gehört zur Gruppe der harntreibenden Medikamente. Bei Menschen mit einer Herzminderfunktion eine wunderbare Sache, bewirkt das Medikament doch das Ausschwemmen der im Kreislauf angestauten und überreichlichen Flüssigkeit. Bei gesunden Menschen bewirkt es nur eines: Sie müssen pinkeln wie ein Elch. Viel und ausgiebig. Eine Viertelampulle im Morgenkaffee macht jede Einsatzfahrt zu einem wirklichen Erlebnis. Murphys Gesetz besagt nämlich für diesen Fall, dass der Piepser ganz sicher anschlägt, sobald die erste Tasse Kaffee weggetrunken ist.
So wurden auch Lenny und ich einmal Opfer dieses lustigen Streichs. Kaum im RTW, mussten wir auf die Toilette. Aber wie und wo? Wir mussten doch zum Einsatz. Glücklicherweise handelte es sich dabei um eine Knöchelprellung und nichts Lebensgefährliches. An der ersten Kreuzung entdeckten wir ein Eiscafé. Ein kurzer Stopp, das Blaulicht abgeschaltet – schließlich wollten wir nicht unnötig für Aufsehen sorgen –, und schon konnten wir an den Augen der italienischen Barkeeper vorbei in die Toilette eilen und unserem Wasserdrang ein Ende bereiten. Die Barkeeper nahmen das Ganze mit reichlich Humor auf.
Keine drei Kilometer weiter war er wieder da, der unglaubliche Druck auf der Blase. Als ob man schon seit zwei Tagen nicht mehr auf dem Klo gewesen wäre. Die Gelegenheit war günstig, denn wir befanden uns an einer Landstraße, deren baumbepflanzter Grünstreifen geradezu dazu einlud, die Blumen zu gießen. Ein erleichterndes Gefühl.
Einige Minuten später hatten wir endlich das Haus mit dem Patienten erreicht. Herr Meier hatte sich beim Heimwerken den Knöchel geprellt und konnte nicht mehr auftreten. Wir gaben ihm etwas zur Kühlung und wollten ihn zum Röntgen ins Krankenhaus fahren, doch Lenny trat schon wieder von einem Bein aufs andere.
»Alles in Ordnung?«, fragte Herr Meier sichtlich irritiert.
»Ja ... geht schon. Ich müsste ... nur ... mal kurz auf die Toilette«, gestand Lenny mit hochrotem Kopf.
»Und Sie? Ihnen stehen die Schweißperlen ja auch auf der Stirn. So warm ist es doch nicht. Müssen Sie etwa auch?«
»Ja, leider«, antwortete ich.
»Da hinten auf der linken Seite wäre die Toilette«, meinte Herr Meier, schüttelte den Kopf und zog sich seine Jacke über. »Tun Sie sich keinen Zwang an.«
Wir erledigten das Unaufschiebbare und fuhren Herrn Meier anschließend ins Krankenhaus. Der wird uns mit Sicherheit nicht so schnell vergessen.
Kleine Scherze erhalten bekanntermaßen die Freundschaft. Wir haben aus dieser Aktion auf jeden Fall eines gelernt: Lass deine Kaffeetasse niemals aus den Augen!
Kurz nach vier
Der große dicke Mann sollte sich an diesem Tag seinen Taten stellen. Er fühlte sich auf jeden Fall ungerecht behandelt. Dass der Dicke mit den grau melierten, ungepflegten Haaren lediglich eine Bewährungsstrafe bekommen würde, sollte für ihn keinen Unterschied machen. Er wollte einfach nicht schon wieder für etwas geradestehen, was er nach seiner ganz persönlichen Ansicht nicht zu verantworten hatte. Schuld waren für ihn immer nur die anderen.
Das goldene Los hatte er die letzten Jahre nicht gezogen und in einer schäbigen Wohnung am Stadtrand vor sich hingelebt. Als ihm der Schlaganfall die Möglichkeit genommen hatte, für sich selbst zu sorgen, fing er an zu betrügen. Irgendwann war ihm jemand auf die Schliche gekommen und hatte ihn hingehängt. Er hätte für seine Angestellten keine Sozialbeiträge bezahlt, hieß es. Der Hass des dicken Mannes auf die Justiz war unermesslich. Als er und seine Anwältin vor dem Prozess im Café saßen, konnte er die Wut in seiner Stimme kaum bändigen, und die Venen an der Schläfe seines roten Kopfes traten deutlich hervor.
»Beruhigen Sie sich. Wir holen das Beste für Sie heraus«, beteuerte seine Anwältin. Das Beste war ihm aber nicht gut genug. Seinen Plan hatte er auch längst gefasst.
Wo auch immer er eine belgische Armeepistole ohne Waffenschein herbekommen hatte – der dicke Mann besaß eine. Er wirkte aufgrund eines Sprachfehlers nicht intelligent, wusste jedoch, dass das Kaliber 6,35 Millimeter das Beste für seine Zwecke war. Obwohl die illegale Waffe seine Jacke auf einer Seite nach unten zog, fiel dies niemandem auf.
Kurz nach 16 Uhr. »Im Namen des Volkes ergeht
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