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Sie sehen aber gar nicht gut aus!

Sie sehen aber gar nicht gut aus!

Titel: Sie sehen aber gar nicht gut aus! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Strzoda
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folgendes Urteil: Der Angeklagte wird wegen Betrugs und Unterschlagung von Sozialbeiträgen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwölf Monaten verurteilt. Die Strafe wird zur Bewährung ausgesetzt«, verlas der Richter in monotonem Amtsdeutsch, während der Staatsanwalt ins Nichts sah. Vielleicht dachte er gerade daran, was es wohl zu Hause zum Abendessen geben würde. Routine. Vermutlich war der Ausgang des Prozesses bereits vorher klar, weil die Sachlage unumstritten war. Der Verurteilte hatte nur noch einige Sekunden, um seinen Entschluss nochmals zu überdenken und den Gerichtssaal als freier Mann zu verlassen. Aber diesmal würde ihm niemand seinen Willen streitig machen. Niemand würde mehr daran zweifeln, dass er etwas durchziehen konnte. Diesmal würde er es allen zeigen und gewinnen.
    16.08 Uhr. Völlig unvermittelt zog der unbewegliche Dicke die Knarre und visierte den Richter an. Schüsse knallten durch den Gebäudekomplex, Patronenhülsen klimperten auf den Steinboden. Die vor dem Saal stehenden Zeugen hatten zunächst gedacht, dass etwas umgestürzt sei. Erst als es mehrmals in Folge krachte, war klar: Jemand musste geschossen haben.
    Der Richter konnte sich gerade noch durch einen Sprung hinter den hohen Richtertisch retten. Doch der Staatsanwalt hatte Pech – er hatte keine Deckung vor sich. Ein Projektil durchdrang sein Handgelenk und bahnte sich einen Weg in den rechten Unterbauch. Der Mann beugte sich vor Schmerzen nach vorne. Die zweite Kugel schlug unterhalb des linken Schlüsselbeines ein, das Projektil schwamm durch das Körpergewebe hindurch wie nichts. Der Staatsanwalt fiel.
    An diesem Tag war ich krank und lag von einer Grippe niedergestreckt zu Hause im Bett. Glücklicherweise, wie ich im Nachhinein sagen muss. Lenny war deshalb ausnahmsweise mit Schichtpartner Theo eingeteilt, als um 16.09 Uhr das Telefon in der Rettungswache klingelte. Der Leitstellendisponent war dran und hatte etwas Brisantes: »Im Amtsgericht gab’s eine Schießerei. Ich brauche euch dort. Notarzt und Einsatzleiter sind auch alarmiert. Unbedingt die Eigensicherung beachten!«
    Lenny hetzte mit Theo zum Rettungswagen. Kurz zuvor hatte ich noch mit Lenny telefoniert, musste das Gespräch aber wegen des Anrufes der Leitstelle beenden. Lenny erzählte mir den Einsatz später in allen Einzelheiten.
    Die Stille nach den Schüssen war unheimlich und drückend. Der Staatsanwalt hatte starke Schmerzen, krümmte sich am Boden und war kalkweiß. Der dicke Mann verstand nicht, was gerade geschehen war. Er hatte noch weitere Patronen im Magazin. Und eine davon war für ihn selbst gedacht gewesen, doch er war zu langsam gewesen. Die beiden Männer vom Zoll, die als Zeugen geladen gewesen waren, hatten ihm die Pistole aus der Hand geschlagen und ihn zu Boden geworfen. Festnahme. Ende der Fahnenstange.
    Das Notarzteinsatzfahrzeug und der leitende Notarzt waren zusammen mit dem Einsatzleiter bereits am Gerichtsgebäude, als Lenny und Theo vor der Eingangstür stoppten. Menschen weinten und liefen nach draußen, ein paar von ihnen standen wie Wachsfiguren vor dem Gebäude und froren scheinbar. Der Schock. Überall waren Polizisten.
    Der überdimensional wirkende Schütze stand mit Handschellen gefesselt vor einem Streifenwagen. Er machte den Eindruck, als hätte er als Junge einfach nicht aufgehört zu wachsen. Zwei Polizisten hielten ihn links und rechts und schoben ihn irgendwann in den grünweißen T5. Der leitende Notarzt rief durch die Eingangstür, Lenny solle die Trage mit hineinnehmen. Theo schob die Herumstehenden auf die Seite und betrat den Ort des Geschehens. Es war überhaupt kein Blut zu sehen.
    Der an diesem Tag als Fahrer des Notarzteinsatzfahrzeugs eingeteilte Kollege Andreas und die Notärztin hatten zwei großvolumige Zugänge gelegt, über die Infusionen in das Venensystem strömten. Etwas zischte. Sauerstoff, den der Staatsanwalt über eine Gesichtsmaske verabreicht bekam. Er sagte nichts und bewegte sich nicht. Nur die Augen blinzelten und folgten dem, was die Retter taten. Theo drehte den Mann so, dass Lenny das Tragetuch unterlegen konnte. Die Schussverletzungen hatten sie mit Kompressen tamponiert.
    »Wir brauchen noch vier Männer zum Tragen«, rief Lenny hinaus. Schon kamen Polizisten angerannt. Sie legten den Mann auf die Trage, verließen den Gerichtssaal im Laufschritt und wurden dabei von Reportern abgelichtet.
    Andreas drückte die Gaze auf das Einschussloch unter dem Schlüsselbein.
    »Er verliert zu

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