Sie sehen aber gar nicht gut aus!
einen Schnitt auf Höhe des Kehlkopfes öffnen und so den Beatmungsschlauch platzieren.
»Aber dann könnte sie verbluten«, warf ich ein.
»Ja, aber so erstickt sie sicher«, gab Lenny zu bedenken.
»So ist es. Wir brauchen ein Skalpell«, rief der Notarzt unserem Kollegen zu, der sichtlich darum bemüht war, das Instrument zu finden.
»Das war doch immer in dieser Schublade ...« Der Kollege nestelte nervös an allen Griffen herum.
»Habt ihr kein Notamputationsset hier an Bord?« Ich blickte den Kollegen an. Er nickte hektisch.
»Keine Sorge. Wir wollen nicht den Kopf amputieren. Wir brauchen nur das Skalpell aus dem Set«, meinte der Notarzt grinsend. Der Kollege hatte offenbar wenig Humor. Er riss die Verpackung auf, nahm das Skalpell aus dem Set, versah den Tubus mit Gleitgel und kümmerte sich um das weitere Zubehör, das der Notarzt benötigte. Dann konnte es losgehen.
Die Hand des Notarztes zitterte. Ich musste dabei an einen Trinker im Entzug denken. Und daran, dass dieser Gedanke unfair war. Eine Notfallkoniotomie kommt alle Jubeljahre einmal vor. In knapp 20 Jahren Dienst war dies meine erste und bislang einzige notfallmäßig durchgeführte Öffnung der Luftwege. Dementsprechend verhält es sich mit der Routine des Einsatzpersonals. Es ist gut, etwas theoretisch zu beherrschen, aber wenn man etwas praktisch noch nie getan hat, ist die Hemmschwelle zum ersten Schnitt nicht unbeträchtlich. Vor allem wenn es darum geht, der Patientin die Kehle aufzuschneiden.
Das Skalpell glitt sanft durch die Haut an Frau Hellers Kehlkopf. Das Blut rann seitlich hinab und fing sich in den Netzen der Kompressen, die extra dafür bereitlagen. Dann schob der Notarzt den Tubus ohne Schwierigkeiten durch den winzigen Schnitt in die Atemwege hinein.
»Blocken«, befahl der Notarzt, drückte das Stethoskop auf den Brustkorb der Frau und wollte die richtige Platzierung des Tubus überprüfen. Nichts passierte.
»Blocken!«
»Ich habe geblockt«, erwiderte Lenny. Die Frau ließ sich trotzdem nicht beatmen. Der Ballon am Ausgang des Tubus, der auch Cuff genannt wird und das Eindringen von Erbrochenem in die Lunge hindert, war vermutlich im Eimer.
»Murphy ist ein Arschloch«, war mein erster Gedanke.
»Hast du den verdammten Cuff nicht geprüft oder was?«, schrie der Notarzt den Kollegen an, der noch weißer wurde, als er ohnehin schon war. Der Kollege schüttelte den Kopf und verlor kein Wort. Es folgte eine Schimpftirade des Notarztes, die ich hier aus Gründen des Jugendschutzes nicht zitieren kann.
»Ihr könnt jetzt noch fünf Minuten rumschreien«, meinte Lenny schließlich, »dann ist die Frau mit Sicherheit Geschichte.«
»Hol einen neuen Tubus«, wies ich daraufhin den Kollegen an. Er zitterte. »Wie ein Trinker«, dachte ich wieder. Diesmal hielt ich meine Gedanken für angemessen.
Der Cuff des zweiten Tubus funktionierte. Nach den ersten Beatmungen stieg die Sauerstoffsättigung in einen annehmbaren Bereich an. Es dauerte nicht lange, dann mussten wir die Frau in Narkose legen, damit sie nicht vorzeitig aufwachte und sich selbst den Tubus entfernte.
Später erfuhren wir, dass Frau Heller es geschafft hatte. Der Gurt hatte ihr beim Aufprall und dem anschließenden Überschlag des Fahrzeugs eine Arterie im Halsbereich abgerissen. Das Blut, das sich im Hals ansammelte, drückte ihr allmählich die Luftwege ab. So kam es, dass aus einer zunächst entspannten Szene eine lebensgefährliche Situation entstanden war, die für Frau Heller beinahe ein schlechtes Ende genommen hätte.
Auch fast alle übrigen Beteiligten hatten diesen Unfall ohne größeren Schaden überstanden. Der Mann, der sich zu Beginn selbst befreit hatte, kam ohne jegliche Schramme davon. Der eingeschlossene Patient wurde durch die Feuerwehr befreit und erlitt nur ein paar Blessuren.
Nicht jedoch der arme Kollege, der den Cuff nicht geprüft hatte. Sein Selbstvertrauen trug mindestens mittelschwere Verletzungen davon, deren Heilung einige Zeit in Anspruch nehmen würde.
Junkieblues
Es gibt Einsätze, die sind bereits beendet, bevor sie überhaupt richtig angefangen haben. Eines Nachts befahl uns die Leitstelle zu einem Einsatz, der sich im Vorfeld außerordentlich dramatisch anhörte. Wir wurden aus dem Tiefschlaf gerissen, stürzten aus den schlafwarmen Betten und kämpften uns in die orangefarbenen Rettungsdienstklamotten. Die Alarmdurchsage des Piepsers war beunruhigend gewesen: eine Messerstichverletzung, Einsatzort: unbekannt.
Ich
Weitere Kostenlose Bücher