Sie sehen aber gar nicht gut aus!
sein. Nur gab es aus dem Unfallfahrzeug keinen Ausgang für den Mann – dumme Situation. Wir konnten ihn allerdings durch die Tatsache beruhigen, dass die Feuerwehr bereits unterwegs war und in Kürze eintreffen würde.
Nun landete ein Rettungshubschrauber im Acker neben der Autobahn, die durch die Polizei mittlerweile gesperrt worden war. Auch die Besatzung des Helikopters kümmerte sich zunächst um den Patienten, der nach wie vor eingeschlossen war. Der Arzt musste nach näherer Betrachtung ebenfalls feststellen, dass keine Chance bestand, den Mann ohne schweres Rettungsgerät der Feuerwehr zu befreien.
»Können Sie mal kurz gucken? Der Dame geht’s nicht gut«, rief der Passant plötzlich und zog mich an meiner Jacke. Damit hatte ich schon gerechnet, denn ein derartiges Unfallereignis geht immer mit erheblichem Stress und einer damit verbundenen Ausschüttung von Endorphinen einher. Der Patient verspürte daher unter Umständen anfangs keinen Schmerz. Frau Heller hatte aber mit Sicherheit ein Schleudertrauma und Prellungen oder möglicherweise auch irgendwo einen Bruch. Doch ich konnte nichts entdecken. Frau Heller sprach nur von Schmerzen im Bereich ihres Halses und deutete dabei direkt auf ihren Kehlkopf. Als ich den Hals inspizierte, war dieser hart wie ein Betonpfeiler. Das war nicht gut. Hart ist niemals gut. Wenn ein ansonsten weicher Bereich zunehmend härter wird, bedeutet das meistens, dass da irgendetwas einblutet. Gerade am Hals ist das aber außerordentlich schlecht. Vermutlich war ein Gefäß im Bereich ihres Halses abgerissen, und das Blut war auf dem besten Weg, ihr die Luft abzuschnüren. Von einer Sekunde auf die andere war aus dem lustigen Maikäfer in Rückenlage ein akuter Notfall in Lebensgefahr geworden.
Lenny war schon auf dem Weg und wollte den Notarzt herbeizitieren. Der Arzt reagierte zunächst widerwillig, bis Lenny ihm die immer ernster werdende Situation schilderte. Nachdem er den Hals der Patientin abgetastet hatte, wechselte er die Farbe und wurde weiß wie das Hemd eines Rettungsassistenten – zu Schichtbeginn, wohlgemerkt.
»Wir brauchen sofort ein Fahrzeug, in dem wir die Frau intubieren können!«, rief er. Lenny organisierte einen der zwischenzeitlich eingetrudelten Rettungswagen. Als wir die Frau in den Wagen bringen wollten, stellte sich uns ein Seelsorger in der typischen Montur eines Priesters in den Weg. »Bleiben Sie bitte stehen«, sagte er. Wir stutzten.
»Warum?« Lenny war sichtlich irritiert, und mir ging es nicht anders.
»Ich möchte die Frau segnen.«
»Wenn Sie der Frau helfen wollen, dann stellen Sie sich zu den anderen Schaulustigen, und behindern Sie uns nicht.«
»Was soll das heißen?«
»Dass Sie im Weg stehen. Und jetzt: auf Wiedersehen – bei allem Respekt natürlich«, schnaubte ich und schob den Gottesdiener auf die Seite. Eine Segnung war in diesem Augenblick sicher nicht das probateste Mittel, um einer Frau zu helfen, die sich auf dem besten Wege befand zu ersticken.
Der Priester lief neben uns her, sprach ein paar ölige Worte und scheiterte schließlich an der Hecktür, hinter der er stehen bleiben musste. Wir durften jetzt aber auf keinen Fall Zeit verlieren.
Im Rettungswagen brach sofort Hektik aus. Die soeben noch ansprechbare Patientin trübte zunehmend ein und verlor irgendwann das Bewusstsein. Normalerweise hätten Lenny und ich den für uns fremden Rettungswagen der Kollegen sofort verlassen müssen, jedoch sah der Notarzt dies anders. Er hielt mich am Ärmel fest und bat uns zu bleiben. Es war eng, stickig und heiß wie in der Wüste. Die Sauerstoffsättigung der Patientin, die normalerweise bei knappen 100 Prozent liegen sollte, rutschte ab. Ich nahm den Beatmungsbeutel und versuchte, der Frau beim Atmen zu helfen. Ein Widerstand in den Atemwegen erschwerte mein Vorhaben – die Sättigung fiel weiter. Auch die Stimmung im Rettungswagen sank in Anbetracht der immer akuteren Lebensgefahr.
»Sättigung ist jetzt bei 70. Wir sollten langsam was machen«, meinte Lenny. Der Kopf des Notarztes leuchtete rot. Schweiß rann ihm die Stirn hinab.
Die Intubation misslang. Denn die Patientin hatte einen sehr kurzen, dafür aber umso dickeren Hals. Der Notarzt schob den Beatmungsschlauch hinein, ohne die Stimmbänder sehen zu können. Die Stimmbänder weisen aber normalerweise den Weg in die Luftröhre. Der erste Versuch landete jedoch in der Speiseröhre.
»Okay. Lasst uns koniotomieren.« Der Notarzt wollte die Atemwege durch
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