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Sie sehen aber gar nicht gut aus!

Sie sehen aber gar nicht gut aus!

Titel: Sie sehen aber gar nicht gut aus! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Strzoda
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schreiben, wie kann er das denken? Er ist ein Retter, ein Helfer. Er muss helfen. Jedem und gerne«, wird Ihnen jetzt vielleicht durch den Kopf gehen.
    Na gut, dann kommen Sie doch mal mit. Rückblick auf einen Nachmittag im August.
    Eine Einsatzmeldung kam bei uns herein: »Verkehrsunfall. Mehrere Personen schwer verletzt, Rettungshubschrauber ist unterwegs.«
    Tragisch. Immer. Aber was Lenny und mich an diesem Tag vor Ort erwartete, war nicht ein unglücklicherweise von der Fahrbahn abgekommener Fahranfänger oder ein abgelenkter Autofahrer, der beim Griff ans Radio das abbiegende Fahrzeug übersehen hatte. Was auf uns zukam, war kein reumütiger Unfallgegner, der die Szenerie schockiert vom Rande aus betrachtete und die Tragik der durch ihn ausgelösten Situation kaum fassen konnte. Der in Tränen aufgelöst, traumatisiert und schuldgefühlzerfressen war.
    Was uns an diesem Tag begegnete, war ein substanzabhängiger Mitbürger, ein Junkie. Er saß auf dem Trittbrett des bereits postierten RTW, beruhigte seine Nerven mit einem Joint und beklagte den Verlust seines Autos.
    Sein Auto war durch einen entgegenkommenden Kleinbus zerstört worden, in dem eine Familie gesessen hatte. Vater. Mutter. Sohn und Tochter. Alle tot.
    Die Ermittlungen ergaben später, dass der nur leicht verletzte Unfallgegner aufgrund seiner durch den Drogenkonsum beeinträchtigten Reaktion von der Fahrbahn abgekommen war und seinen Wagen in den Gegenverkehr gelenkt hatte.
    Unsere Aufgabe war es nun, den Junkie zu versorgen.
    Einfach?
    Fair?
    Vermutlich hatte auch der Junkie seine Geschichte und seine Gründe, warum er nun dort war, wo er war. Womöglich hatte er eine schlimme Kindheit gehabt, seinen Job oder die Freundin verloren. Vielleicht war sogar beides passiert, oder irgendwer war gestorben – was auch immer. Doch ich sah in diesem Moment nur, wie einer der vier Körper mit einer Plastikplane zugedeckt wurde. Eine zarte Kinderhand war darunter noch zu sehen. Mit einem rosa Plastikarmband um das Handgelenk, wie es nur kleine Mädchen schön finden. Ein Stoffhund lag im Schmutz der Unfallstelle. Meine Kollegen hantierten hektisch umher. Versuchten verzweifelt, das Schicksal zu überlisten. Doch in diesem Fall war völlig klar, dass sie auf ganzer Linie verlieren würden. Sie arbeiteten eigentlich mehr für sich selbst, um sich später versichern zu können: »Ich habe alles versucht.«
    »Wisssssn Sie, wie lang ich auf des Auto gespart hab?«
    Ach ja. Unser Patient. Prellungen. Eine Schürfwunde am Kopf. Und natürlich die Vergiftung mit den Drogen.
    »Steigen Sie in den Wagen.«
    Meine Halsvene pulsierte, meine Hände zitterten. Ich versorgte ihn und brachte ihn ins Krankenhaus. Nicht, weil das fair ist, sondern weil es mein Job ist. Denn jeder hat ein Recht auf Hilfe.

Herr Krause
    Jedes Mal, wenn ich nach meinem Schichtdienst nach Hause kam, sah ich ihn auf der alten Parkbank sitzen, von der die braune Farbe längst abgeblättert war. Die Bank stand auf einer kleinen Rasenfläche an der Hauptstraße zwischen einer Telefonzelle und der Einmündung zur Straße, in der ich wohnte. Ich nannte den Platz »Herrn Krauses Wohnzimmer«.
    Richtig bewusst nahm ich Herrn Krause erst seit dem winterlichen Einsatz einige Monate zuvor wahr. Wir wurden damals in die Hauptstraße unseres Ortes geschickt. Angeblich sollte dort jemand vor einem Lebensmittelgeschäft kollabiert sein. Herr Krause war betrunken und lag im nassen Rinnstein. Er besaß einen Rollator, mit dem er sich eigentlich gut vorwärtsbewegen konnte. Ich versuchte, ihm aufzuhelfen und ihn in unser Krankenhaus zu bringen, da er unterkühlt sein musste. Schließlich war es Mitte November und hatte knapp unter null Grad. ­»... dann können Sie sich aufwärmen«, sagte ich, obwohl ich mir dafür in der Notaufnahme einige Schiefer eingezogen hätte. Er wollte aber nicht und meinte nur, er warte auf seine Limousine und den Chauffeur, damit er endlich zur Arbeit fahren könne. Dann beschwerte er sich noch, dass ich nie grüßen würde, wenn ich an ihm vorbeiginge. Trotz allen Zuredens wollte Herr Krause immer noch partout nicht mitkommen.
    »Lass mich auf meine Kutsche warten, damit ich meine Einkäufe nach Hause bringen kann«, sagte er zum Schluss, lud seine Bierdosen in den Rollator und lief davon.
    Seitdem rief er immer: »Der Sani kommt!«, wenn er mich sah. Ab und zu hielt ich bei ihm an und gab ihm ein paar Euro mit den mahnenden Worten, die Kohle nicht für Alkohol

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