Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sie sehen aber gar nicht gut aus!

Sie sehen aber gar nicht gut aus!

Titel: Sie sehen aber gar nicht gut aus! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Strzoda
Vom Netzwerk:
Er fluchte leise vor sich hin, packte seine Tasche und murmelte, dass er jetzt ein neues Werkzeug holen müsse. Meines Erachtens wollte sich die Dampfnase nur aus dem Staub machen.
    Die Nachbarin von Frau Winkler hatte die Rettungsleitstelle benachrichtigt. Sie hatte sich wegen des nicht angerührten Essens vor der Haustür Sorgen gemacht. Schön, dass es ihr schon nach drei Tagen aufgefallen war. Geklingelt hatte sie bei Frau Winkler aber nicht.
    »Hast du ’ne Idee?«, fragte Lenny und sah mich an.
    »Feuerwehr?«, mischte sich der Polizist ins Gespräch ein. Doch die Feuerwehr hätte natürlich auch noch mindestens 15 Minuten benötigt. Wenn in der Tat eine Leiche hinter der Türe lag, war es völlig egal, wie lange wir hier noch warten mussten.
    »Wenn da aber doch noch jemand lebt und wir hier draußen Zeit verquatschen ...«
    Lenny warf mir nur einen kurzen Blick zu. Ich wusste, er sagte das nur, weil er uns so schnell wie möglich hier wegbekommen wollte. Wir gingen nämlich eigentlich davon aus, in der Wohnung eine Leiche vorzufinden.
    »... aber Grün sticht natürlich Rot. Du wirst schon richtig entscheiden«, fuhr er dort und blickte den Polizisten an.
    Der Polizist sah zu seinem Kollegen. Dieser schien ebenfalls keinen glorreichen Einfall zu haben. Wenn der Polizist sich für die Feuerwehr entschieden hätte, wäre jede Verantwortung für die Zeitverzögerung an ihm hängen geblieben.
    »Wir müssen da jetzt rein«, entschied er.
    Das war unser Stichwort. Wir kamen den beiden Polizisten zuvor und stellten uns vor die Tür, die über einen dreistufigen Treppenabsatz erreichbar war. Der Notfallkoffer diente als Absprungrampe. Lenny und ich liefen gleichzeitig los. Ich befand mich rechts und traf die Tür mit meinem Fuß unterhalb der Klinke. Lenny trat links dagegen. Die Tür krachte filmreif aus den Angeln. Blaues Holz splitterte. Der Rahmen war hinüber. Die Tür fiel wie in Zeitlupe nach innen und blieb zerstört am Boden liegen. Nein, wir sind keine Superhelden. Die Tür war einfach dünn wie eine billige Schreibtischplatte aus Pressspan, und wir hatten Glück, die richtigen Stellen getroffen zu haben. Trotzdem erzähle ich diese Geschichte sehr gerne und oft zu allen möglichen Gelegenheiten.
    Lenny betrat das Wohnzimmer. Die Polizisten schwärmten in die übrigen unteren Bereiche des Hauses aus. Ich stand direkt vor einer Treppe, die in das erste Stockwerk des Hauses führte, und entschied mich für diese Option. Es war heiß wie in einer Wellblechhütte, stank aber nicht. Nur ein seltsamer süßlicher Geruch, den ich nicht einordnen konnte, hatte das Zimmer geflutet. Vermodert war hier aber auf jeden Fall niemand.
    Im Schlafzimmer fand ich Oma Winkler, die bewegungslos in Rückenlage auf ihrem Bett lag, den Kopf zur Seite gedreht. Die Rollläden waren auch in diesem Zimmer beinahe ganz heruntergelassen. Die Dunkelheit erschwerte eine Einschätzung der Situation. Oma Winkler war nur mit einem Nachthemd bekleidet und schien friedlich entschlafen zu sein. Vermutlich hatte sie sich aufgrund von Unwohlsein auf das Schlafzimmerbett gesetzt. Als sie an ihrer Bettkante saß, könnte der Herzstillstand eingetreten sein. Das waren allerdings nur Mutmaßungen eines Amateurpathologen.
    Die Lippen sahen blau aus – passend zum weißen Teint des Gesichts. »Schade um Frau Winkler«, dachte ich, inspizierte das Zimmer nach verdächtigen Spuren und hörte nebenbei dem Treiben im Erdgeschoss zu. Die Haut von Oma Winkler war so kalt, als ob sie letzte Nacht gestorben wäre. Das hätte aber auch bedeutet, dass die Leichenstarre im Gange sein musste. Ich versuchte, ihren Unterkiefer mit einer rettungsdiensttypischen Handbewegung zu bewegen. Dort und an den Augenlidern beginnt für gewöhnlich der Rigor. Butterweich. Keinerlei Anzeichen einer beginnenden oder endenden Leichenstarre. Frau Winkler sah auch nicht »tot« aus.
    Ich war gerade über ihr Gesicht gebeugt, hatte den Kiefer in der Hand und prüfte den Zustand der vermeintlichen Leiche, als sie plötzlich tief einatmete. Ohne jede Vorwarnung schlug Oma Winkler die Augen auf. Riss sie auf, dass ich die Iris komplett sehen konnte. Sie schüttelte sich vor Schreck, hob die Arme in Abwehr, um ihr Gesicht zu schützen. Ich bekam fast einen Herzinfarkt und erschrak so sehr, dass ich einen Satz nach hinten machte und gegen die Schlafzimmerwand knallte. Mein Atem überschlug sich, denn vor mir lag eine Tote, die gerade wieder zum Leben erwacht war. Mein Puls: 180

Weitere Kostenlose Bücher