Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sie sehen aber gar nicht gut aus!

Sie sehen aber gar nicht gut aus!

Titel: Sie sehen aber gar nicht gut aus! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Strzoda
Vom Netzwerk:
des Patienten gezogen, so wie im Winter, wenn es eiskalt ist und man versucht, sich vor dem schneidenden Wind zu schützen. Die Kotze bleibt so innerhalb des Hemdes und direkt am Patienten. Das Ergebnis ist toll: Denn die Besatzung des Rettungswagens muss im Anschluss an diesen Einsatz lediglich marginale Reinigungsarbeiten durchführen und den Rettungswagen nicht einer Komplettreinigung unterziehen. Der Nachteil: Dieses Spiel ist beim aufnehmenden Personal der Krankenhausnothilfe nicht besonders beliebt und lässt den Retter in deren Gunst sinken. Die Schwestern und Pfleger der Nothilfe sind nämlich leider für die Reinigung des Patienten verantwortlich.
    Ein offensichtlich betrunkener Mann empfing uns mit beiden Armen wedelnd am Bahnhofsvorplatz. Er lallte etwas von einem Freund namens Horst, der im Anschluss an Jesu Geburtstagsfeier völlig dicht auf der anderen Seite der Bahnhofsunterführung liegen geblieben war und nicht mehr selbstständig aufstehen konnte. Er redete in Lichtgeschwindigkeit, die Situation schien ihm doch irgendwie peinlich zu sein. Während Lenny den RTW auf die andere Seite der Unterführung fuhr, nahm ich meinen Notfallrucksack und machte mich in Begleitung des Trinkers auf den Weg. Das Neonlicht flackerte, während der Klang unserer Schritte in der Bahnhofsunterführung von den Wänden schallte. Der Trinker redete immer noch: »Ich habe ihn in einer Bar kennengelernt. Auf einmal war er betrunken und kann jetzt nicht mehr aufstehen. Er liegt mit halb heruntergelassenen Hosen auf der Straße.«
    Na toll. Vollgesoffen bis unters Dach und vollgeschissen bis zum Scheitel.
    »Wie viel Alkohol hat Horst denn konsumiert?«, fragte ich.
    »Nur zwei Bier. Und ein paar Klare«, war die Antwort.
    »Und wie viele Biere hatte er zwischen dem ersten und dem letzten Bier?«
    »Keine Ahnung, auf jeden Fall hat er sich in die Hosen gemacht«, nuschelte der Trinker, »alles is voll.«
    Geruchstechnisch sehr reizvolle Aussichten für Heiligabend.
    »Eigentlich wollte ich ihn mit nach Hause nehmen«, fuhr der Trinker fort, »aber ich habe ihn nicht hochgekriegt.«
    »Wie bitte?!«, fragte ich nach.
    »Ich konnte Horst nicht vom Boden aufheben. Ich wollte ihn zu mir nach Hause nehmen. Dann wollte ich ihn abduschen.«
    »Was? Um dann was zu tun?«
    »Abduschen. Ich bin, müssen Sie wissen, beinahe Aushilfspfleger.«
    Ein Lachen konnte ich mir gerade noch verkneifen. Den Trinker hatte offenbar ein Helfersyndrom überkommen. Oder er hatte Zweifelhaftes im Schilde geführt, das er bei sich zu Hause hatte durchführen wollen.
    Als wir den Platz erreichten, wo Horst eigentlich liegen sollte, war von ihm nichts mehr zu sehen. Nur ein paar vollgeschissene Taschentücher und Zeitungspapier flatterten im Wind. Eine Weihnachtsmütze mit auffällig braunen Spuren an der Krempe vervollständigte die skurrile Szene. »Die wollen dir doch nur helfen, Horst ...«, lallte der Trinker. »Er sagte vorhin noch, er wolle mit dem Bus nach Hause.«
    Mit unseren Taschenlampen suchten wir die Umgebung ab. Der Trinker versuchte sich derweil an einer Beschreibung von Horst. 1,70 Meter groß, dick, grauer Vollbart und graues Haupthaar. Und etwa Mitte 50. Der Trinker war maximal 30 Jahre alt, untersetzt und hatte lichtes Haar. Ein obskures Bild entstand in meinem Rettungsdienst-Kopfkino …
    Während nun Lenny mit dem Trinker die Büsche in der näheren Umgebung absuchte, blieb ich beim Rettungswagen und wünschte mich sehnlichst in die Wache zurück. Ich versuchte mir auch vorzustellen, wie die beiden wohl in diese Situation gekommen waren. Vermutlich hatte der Trinker Horst in der Bar angesprochen. Hatte etwas von einem Bier und noch einem gefaselt. Dann vielleicht noch von einem Klaren. Zwei Leidensgenossen hatten Weihnachten in dieser heruntergekommenen Kneipe am Abgrund der Gesellschaft begossen, bis der Abend eine entscheidende Wende genommen hatte. Horsts Schließmuskel hatte irgendwann seinen Dienst aufgegeben. Des Trinkers neu gewonnener Freund hatte somit ein Problem. Und der Trinker wollte wohl helfen. Da aber der Begriff »Rettung« auch in »Rettungsdienst« vorkam, rief er schließlich uns.
    Lenny kam unverrichteter Dinge zurück. »Komm, wir fahren. Der Typ ist ausgeflogen«, meinte er.
    »Alles klar. Ich hab eh keine große Lust, mir die Arbeit auch noch selbst zu suchen. Wer nicht will, der hat schon«, sagte ich.
    Mittlerweile war es schon nach drei Uhr. Der Trinker faselte etwas davon, jetzt selbst noch durch die Gegend

Weitere Kostenlose Bücher