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Titel: Sie sehen dich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Coben
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wegrennen. Adam hatte Betsy noch mehr erzählt  – dass er sich schuldig fühlte wegen Spencers Tod und so etwas. Aber das würden sie schon wieder hinbekommen. Das Wichtigste war, dass er die ganze Geschichte überlebte. Sie mussten ihn irgendwie nach Hause holen. Dann konnte man sich um alles Weitere kümmern.
    Sie beschäftigte sich noch immer mit diesen Gedanken, als sie bei den Novaks auf den Klingelknopf drückte.
    Sie schluckte und dann fiel ihr auch wieder ein, dass diese Familie gerade einen entsetzlichen Verlust erlitten hatte. Man musste ihnen eine Hand zur Hilfe entgegenstrecken, dachte sie, aber eigentlich wollte sie nur ihre Tochter mitnehmen, ihren Sohn und ihren Mann dazuholen, alle nach Haus bringen und die Türen für immer verschließen.
    Niemand öffnete.
    Tia versuchte, durch das kleine Fenster ins Haus zu gucken, aber die Scheibe reflektierte zu stark. Dann schirmte sie die Augen mit den Händen ab und sah in den Vorflur. Es sah so aus, als ob gerade jemand zur Seite gesprungen wäre. Aber vielleicht war das auch nur ein Schatten gewesen. Sie klingelte noch einmal. Dann wurde es ziemlich laut. Die Mädchen trampelten die Treppe herunter.
    Sie stürmten zur Tür. Yasmin öffnete. Jill stand gut einen Meter hinter ihr.
    »Hi, Mrs Baye.«
    »Hi, Yasmin.«
    An der Miene des Mädchens erkannte Tia, dass Guy es ihr noch nicht erzählt hatte, aber das hatte sie auch nicht erwartet. Erst sollte sie Jill abholen, damit er mit Yasmin allein war.

    »Wo ist denn dein Vater?«
    Yasmin zuckte die Achseln. »Ich glaub, er hat gesagt, dass er in den Keller geht.«
    Einen Moment lang standen die drei einfach da. Das Haus war totenstill. Sie warteten noch ein paar Sekunden auf irgendein Geräusch. Aber es blieb still.
    Wahrscheinlich trauerte Guy, dachte Tia. Sie sollte einfach mit Jill nach Hause fahren. Keiner rührte sich. Plötzlich hatte sie den Eindruck, dass hier etwas nicht stimmte. Wenn man sein Kind irgendwo ablieferte, begleitete man es normalerweise zur Tür, um sich zu vergewissern, dass ein Elternteil oder ein Babysitter da war.
    Jetzt hatte sie den Eindruck, sie würde Yasmin allein lassen.
    Tia rief: »Guy?«
    »Das ist schon in Ordnung, Mrs Baye. Ich bin alt genug. Ich kann auch mal allein bleiben.«
    Das sah Tia anders. Die Mädchen waren in diesem gewissen Alter. Wahrscheinlich kamen sie mit ihren Handys und allem wirklich ganz gut allein zurecht. Jill hatte in letzter Zeit auch mehr Unabhängigkeit eingefordert. Schließlich hätte sie bewiesen, sagte sie, dass sie verantwortungsbewusst handeln könnte. Adam hätte in ihrem Alter auch schon allein zu Hause bleiben dürfen, was aus heutiger Sicht keine sehr gute Empfehlung war.
    Aber das störte Tia im Moment nicht. Es ging nicht darum, dass sie Yasmin allein zu Hause ließ. Schließlich stand der Wagen ihres Vaters in der Einfahrt. Er müsste also eigentlich hier sein. Er sollte Yasmin erzählen, was mit ihrer Mutter passiert war.
    »Guy?«
    Immer noch keine Antwort.
    Die Mädchen sahen sich an. Ihre Mienen verfinsterten sich.
    »Was habt ihr gesagt, wo er ist?«, fragte Tia.
    »Im Keller.«
    »Und was ist da unten?«

    »Eigentlich nichts. Da stehen nur ein paar alte Kartons und so Zeug rum. Ist ein bisschen eklig.«
    Aber was wollte Guy Novak dann plötzlich da unten?
    Die logische Antwort lautete: Allein sein. Yasmin hatte gesagt, dass da alte Kartons standen. Vielleicht hatte Guy da unten ein paar Erinnerungsstücke an Marianne verstaut und saß jetzt auf dem Fußboden und guckte alte Fotos an. Irgend so etwas. Und weil die Kellertür geschlossen war, hatte er sie vielleicht nicht gehört.
    Das war noch die logischste Erklärung.
    Tia fiel der Schatten wieder ein, der weggehuscht war, als sie durch das kleine Fenster geschaut hatte. War das Guy gewesen? Versteckte er sich vor ihr? Auch das war nicht ausgeschlossen. Vielleicht hatte er einfach nicht die Kraft, ihr jetzt entgegenzutreten. Vielleicht wollte er einfach niemanden sehen. Das war durchaus möglich.
    Alles schön und gut, dachte Tia, aber der Gedanke, Yasmin hier einfach allein zu lassen, gefiel ihr trotzdem nicht.
    »Guy?«
    Sie rief jetzt lauter.
    Immer noch nichts.
    Sie ging zur Kellertür. Sein Pech, wenn er seine Ruhe haben wollte. Ein kurzes »Ich bin hier unten«, hätte ihr schon genügt. Sie klopfte. Nichts. Dann umfasste sie den Knauf und drehte ihn. Sie stieß die Tür einen Spaltbreit auf.
    Das Licht war aus.
    Sie wandte sich wieder an die Mädchen. »Seid ihr

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