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Titel: Sie sehen dich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Coben
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Garage geöffnet wurde, dann rief Ron: »Bets?«
    »Ich bin in der Küche, Schatz.«
    Ron kam mit einem Lächeln in die Küche geeilt. Sie hatte ihn lange nicht mehr lächeln sehen, und als sie das sah, ließ sie das Foto unter einer Zeitschrift verschwinden. Sie wollte sich dieses Lächeln bewahren, auch wenn es nur für ein paar Minuten war.
    »Hi«, sagte er.
    »Hi. Wie war die Arbeit?«
    »Gut, kein Problem.« Er lächelte noch immer. »Ich hab eine Überraschung für dich.«
    »Oh?«

    Ron kam auf sie zu, beugte sich herunter, küsste sie auf die Wange und warf einen Prospekt auf den Küchentisch. Betsy griff danach.
    »Eine einwöchige Kreuzfahrt«, sagte er. »Guck dir mal die Reiseroute an, Bets. Ich hab einen Zettel auf die Seite geklebt.«
    Sie schlug die Seite auf und sah sie an. Die Fahrt ging von Miami Beach zu den Bahamas, nach St. Thomas und zu einer Privatinsel, die der Reederei gehörte.
    »Dieselbe Route«, sagte Ron. »Genau dieselbe wie bei unserer Hochzeitsreise. Es ist natürlich ein anderes Schiff. Der alte Kahn fährt nicht mehr. Dieses ist brandneu. Ich hab uns eine Kabine auf dem Oberdeck reservieren lassen  – mit Balkon. Ich hab sogar jemanden gefunden, der in der Woche auf Bob und Kari aufpasst.«
    »Wir können die Zwillinge nicht eine Woche lang allein lassen.«
    »Natürlich können wir das.«
    »Sie sind noch zu verletzlich, Ron.«
    Das Lächeln wurde schwächer. »Das schaffen die beiden schon.«
    Er will die ganze Sache hinter sich lassen, dachte sie. Dagegen war natürlich nichts zu sagen. Das Leben ging weiter. Auf die Art verarbeitete er das. Er wollte so schnell wie möglich Abstand gewinnen. Irgendwann würde er dann auch auf Abstand zu ihr gehen, das war ihr klar. Vielleicht blieb er auch wegen der Zwillinge, aber all die schönen Erinnerungen  – der erste Kuss vor der Bibliothek, die Nacht am Strand, die spektakuläre Kreuzfahrt unter der strahlenden Karibiksonne, die sie als Hochzeitsreise gemacht hatten, das Abschaben der schrecklichen Tapeten aus ihrem ersten Haus, der Besuch auf dem Bauernjahrmarkt, als sie so laut lachen mussten, dass ihnen Tränen die Wangen herunterliefen  – das war alles vorbei.
    Wenn Ron sie ansah, sah er seinen toten Sohn in ihr.

    »Bets?«
    Sie nickte. »Vielleicht hast du Recht.«
    Er setzte sich neben sie und nahm ihre Hand. »Ich hab vorhin mit Sy gesprochen. Sie brauchen einen Manager für die neue Niederlassung in Atlanta. Das wäre eine wunderbare Gelegenheit.«
    Er will abhauen, dachte sie wieder. Im Moment wollte er sie noch bei sich haben, aber irgendwann würde er merken, dass ihr Anblick ihm immer Schmerzen bereitete. »Ich liebe dich, Ron.«
    »Ich liebe dich auch, Schatz.«
    Sie wollte, dass er glücklich ist. Sie würde ihn gehen lassen, weil Ron es schaffen konnte. Er musste hier raus. Er konnte sich der Situation nicht stellen. Er konnte nicht mit ihr zusammen abhauen. Sie wäre eine ewige Erinnerung an Spencer und den furchtbaren Abend auf dem Schuldach. Aber sie liebte ihn. Sie brauchte ihn. Sie hatte eine Heidenangst, ihn zu verlieren  – wenn auch vielleicht nur aus Eigennutz.
    »Was hältst du von Atlanta?«, fragte er.
    »Ich weiß nicht.«
    »Es würde dir gefallen.«
    Sie hatte ihr Leben lang in New Jersey gewohnt.
    »Das ist ein bisschen viel auf einmal«, sagte er. »Lass uns einen Schritt nach dem anderen machen. Erst die Kreuzfahrt, in Ordnung?«
    »Gut.«
    Er wäre überall lieber als hier. Er wollte noch einmal von vorn anfangen. Sie war bereit, es zu versuchen, würde es aber nicht schaffen. Man konnte nicht einfach von vorn anfangen. Das ging nicht. Und mit den Zwillingen schon gar nicht.
    »Ich geh mich umziehen«, sagte Ron.
    Er gab ihr noch einen Kuss auf die Wange. Seine Lippen waren kalt. Als ob er schon gegangen wäre. Sie würde ihn verlieren. Vielleicht in drei Monaten, vielleicht auch erst in zwei Jahren, aber irgendwann würde der einzige Mann, den sie je geliebt
hatte, sie verlassen. Schon beim Kuss spürte sie, wie er sich von ihr zurückzog.
    »Ron?«
    Mit einer Hand auf dem Treppengeländer blieb er stehen. Als er sich umsah, sah er ertappt aus, als ob er die Chance verpasst hätte, unbemerkt zu entkommen. Er ließ die Schultern fallen.
    »Ich muss dir was zeigen«, sagte Betsy.

    Tia saß in einem Konferenzraum im Four Season’s Hotel in Boston, während Brett, der Computerguru, mit seinem Laptop herumspielte. Als ihr Handy klingelte, verriet ihr ein schneller Blick aufs Display, dass

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